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Advocatus Diaboli

Titel: Advocatus Diaboli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou Hanna van Laak
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machen, richtete Kardinal Henrik Rasmussen sich auf.
    Rasmussen war ein Koloss mit grauen Haaren und grauem Bart, hellen Augen und einem viereckigen Gesicht, dessen Ausdruck immer leicht hochmütig wirkte. Er sprang aus dem Sarkophag und riss sich den bestickten Umhang mit Schleppe und den samtenen Surcot vom Leib, die ihm die Luft raubten.
    »Ich habe alles ausgeführt, wie Ihr es mich geheißen habt, mein Bruder«, sagte Karen zu ihm. »Niemand hat etwas bemerkt. Weder in Rom noch hier; alle, die nicht zu unseren Leuten gehören, wurden ausgemerzt.«
    »Sehr gut.«
    Er trat heraus und atmete tief ein, als kehrte er wahrhaftig von den Toten zurück. Dann musterte er den Wagenzug.
    »Und nun müssen wir unsere Ladung verschwinden lassen und alles anzünden.«
    »Wie?«, schrie seine Schwester auf. »Aber darin befinden sich unsere ganzen Möbel und unsere Reichtümer aus dem Palast, die ich aus Rom mitgenommen habe! Behalten wir denn gar nichts?«
    »Nichts, Karen. Alles muss an einen Überfall von Räubern auf dieser Hochebene glauben lassen, der ein schlimmes Ende für uns genommen hat. Man wird meine Leiche unter der Asche und den Trümmern nicht finden.«
    Kardinal Rasmussens Getreue gehorchten, und alsbald ging die Karawane in Flammen auf.
    Bestürzt betrachtete Karen Rasmussen das Schauspiel. Bis alles in Brand gesteckt war, war die Nacht hereingebrochen. Der Widerschein der Flammen im Schnee erhellte die Finsternis.
    »Und nun«, verkündete Henrik Rasmussen, »ist es an der Zeit, Artemidore de Broca zu vernichten.«
    Ganz Rom wusste, dass Rasmussen der Hauptfeind des Kanzlers war. Er war überzeugt, dass dieser den Auftrag zu seiner Ermordung
gegeben hatte, so wie er seit vergangenem Dezember bereits vier andere Prälaten auslöschen hatte lassen, die seiner Politik im Wege standen.
    Nur dass Kardinal Rasmussen so von seiner Sicherheit besessen und durch verschiedene Mordversuche gewitzt war, dass er einen unüberwindbaren Sicherheitsgürtel um sich herum geschaffen hatte. Der schwarz gekleidete Mann, den Broca geschickt hatte, um ihn zu ermorden, war schon lange, bevor er sein Schwert in Rasmussens Körper hatte pflanzen können, im Palazzo an der Via Nomentana entdeckt worden. Rasmussen hatte daraufhin beschlossen, Artemidore de Broca mit Hilfe seiner Schwester und einiger enger Vertrauter zu täuschen. Sein vermeintlicher Mörder wurde getötet, Rasmussen für tot erklärt. Man schminkte ihm eine klaffende Schwertwunde im Nacken, als hätte man ihn von hinten enthaupten wollen. Sein Leichnam wurde vor den römischen Würdenträgern zur Schau gestellt, um Artemidore de Broca in dem Glauben zu bestärken, dass sein Plan aufgegangen war.
    Anschließend befolgte Karen die Anweisungen ihres Bruders: Die Dokumente des Kardinals aus neuerer Zeit wurden verbrannt, und sie leitete den sofortigen Aufbruch nach Flandern in die Wege. Rasmussen wurde in einem Sarg eingeschlossen, in dem er dank schmaler Öffnungen noch atmen konnte. Unterwegs stiegen Karen und die zwei Schwestern viermal am Tag in den Wagen, um »für den Verstorbenen zu beten«, aber eigentlich, um ihm zu essen und zu trinken zu reichen.
    So ging es bis zur Hochebene, wo Kardinal Rasmussen geplant hatte, sich aus seinem Sarg zu erheben, weil er dort keine Spione fürchten musste, und wo alle Männer, die er der Verschwörung mit dem Kanzler verdächtigte, dem Schwert zum Opfer fallen sollten.
    »Unsere Wege trennen sich nun«, verkündete der Kardinal seiner Schwester.

    »Ich glaubte, wir würden gemeinsam nach Flandern zurückkehren? Ihr wollt doch verschwinden und nicht mehr nach Rom kommen?«
    »So soll es geschehen«, antwortete er. »Wir sehen uns in Tournai wieder. Zuvor muss ich allerdings noch etwas erledigen.«
    Vier Reiter nahmen Aufstellung um Karens Wagen, der von den Flammen verschont geblieben war, um bis zu ihrer Ankunft in ihrem Heimatland ihre Sicherheit zu gewährleisten.
    Henrik Rasmussen sprang auf ein Pferd und ritt mit dem Rest seiner getreuen Gefährten schnurgerade nach Osten. Er nahm ein kostbares Buch mit sich, das er in seinem Sarg verborgen hatte.

XIII
    I m Rom rannte ein Junge, der für seine dreizehn Jahre kräftig und groß und mit einer Bruche und einem dicken, wollenen Hemdkittel bekleidet war, im Laufschritt durch die Porta Flaminia und dann weiter zum tiefer gelegenen Ufer des Tibers.
    Er sauste die Böschung hinab und erreichte einen Anlegeplatz. Dieser Pier mit zwei Molen diente der Versorgung der Stadt. Da er

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