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Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte

Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte

Titel: Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Dribbusch
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der Wand hat Britt die Schaufensterpuppe aus ihrer Kunstwerkstatt aufgestellt und hergerichtet. Die Puppe trägt einen Borsalinohut und eine Federboa. An den Hüften, am Bauch, an den Oberschenkeln und an der Brust hat Britt die Puppe mit dicken Polstern aus einer wabbeligen Masse beklebt. Sie hatte das Zeug nach einer Anweisung aus dem Internet für die Herstellung von »Slimies« für Kinder zusammengekocht und rosa eingefärbt.
    Die aufgepolsterte Hüfte der Puppe wird umschlossen von einem dieser breiten Bauchgurte, die man mittels Batterie in leichte Vibrationen versetzt, was angeblich Fett abbaut, aber genauso wenig hilft, wie wenn man sich die Wampe jeden Tag mit Franzbranntwein einreiben würde. »Jeder kriegt sein Fett weg«, heißt die wabbelige, aber nicht unästhetische Skulptur, die mahnend vor sich hin vibriert, als die Gäste eintreffen.
    »Man bekommt hier schon eine Ahnung, warum Joseph Beuys mit seiner ›Fettecke‹ so berühmt wurde«, kommentiert Winfried. Winnie, von Beruf Umweltingenieur, ist mit seiner erheblich jüngeren Flamme namens Natalie erschienen. Winnie ist runder geworden. Offenbar macht er zurzeit wenig Sport. Der Spruch zu Beuys passt eigentlich nicht zu ihm. Winnie ist sonst eher so der Outdoortyp und kein Kunstliebhaber. Vielleicht will er auch bloß seine Freundin beeindrucken.
    In der Mitte an der Wand hängt das Herzstück der kleinen Ausstellung, eine Fotoserie. Britt vergrößerte Porträts in Schwarz-Weiß von zwei prominenten, nicht gelifteten, alten Männern– Joschka Fischer und Herbert Grönemeyer. Unter die Originale hängte sie verfremdete Bilder der Männergesichter, die Britt am Computer so bearbeitet hatte, dass die Gesichter alter Frauen dabei herauskamen.
    Es war erstaunlich, wie wenig sie mit ihrem Grafikprogramm machen musste, um diesen Effekt zu erzielen. Eigentlich bedurfte es nur ein paar Veränderungen bei den Frisuren, die Bartschatten mussten verschwinden– und schon zeigten sich die Gesichter zweier alter Frauen an der Wand, die einem irgendwie bekannt vorkamen. Daneben hängte Britt Porträts von Angela Merkel und Renate Künast und darunter deren verfremdete Konterfeis. Sie sehen aus wie Männer in ihren besten Jahren. »Joschka Fischer ist eine Frau« lautet der Titel der Fotoserie.
    »In jedem alten Mann steckt eine alte Frau. Und umgekehrt«, erklärt Britt, als sie das Staunen der Gäste bemerkt. »Physisch nähern sich Männer und Frauen im Alter an. Nur gibt das keiner gerne zu.«
    »So was sehe ich auch im Sommer in den Ausflugslokalen am Müggelsee«, lästert Jürgen. »Diese alten, dicken Ehepaare, bei denen du Männlein und Weiblein nicht mehr unterscheiden kannst. Schrecklich.«
    »Das liegt auch daran, dass die Männer weiblicher werden im Alter«, versetze ich. »Es ist erwiesen, dass bei der Hälfte der Männer ab 45 Jahren die Brust wächst. Bauchfett verwandelt übrigens Testosteron in weibliche Hormone. Was nebenbei bemerkt die Libido senkt.«
    Jürgen gebe ich immer gerne eins drauf. Suses Mann gehört zu den Typen, die offen erklären, dass es schon ungerecht sei, dass Frauen nicht alt werden dürften, während Männer durch »Witz und Intellekt« doch »so einiges wettmachen könnten«. Das sei ja nicht seine persönliche Meinung, aber die Gesellschaft denke eben so. Vielleicht handle es sich einfach um Gesetze der Evolutionsbiologie. Bei solchen Sprüchen wird mir schlecht.
    74 Kilogramm
    »Da sieht man doch, dass alles eine Frage der Bewertung ist, der Zuordnung«, sagt Suse mit Blick auf die Fotoserie. Auch sie gibt ihrem Mann gerne Kontra. »Wo fängt Hässlichkeit an? Das ist die spannende Frage.«
    Suse hat eine Woche zuvor in ihrem Blog einen Beitrag gepostet unter dem Titel: »Überwinden wir die Fettphobie«. Ich habe den Verdacht, dass dies auch damit zusammenhängt, dass Suse ihre Montignac-Diät abgebrochen hat. Sie hielt »das ständige Schwarzbrotfressen« nicht mehr aus, stöhnte sie mir vor. »Ich will Brötchen!«
    Um sich selbst mehr Mut zum Brötchenessen zu machen, hatte Suse die Tirade gegen den Diätwahn verfasst. Dabei zitierte sie eine Befragung des Leipziger Sexualforschers Kurt Starke von Frauen zwischen 50 und 60 Jahren. Diese zeigt: Die meisten Frauen nehmen mit den Jahren zu. Das ist ganz normal, und wer dagegen ankämpft und immer noch in die zehn Jahre alte Jeans passen will, kann genauso gut versuchen, den Himmel grün anzumalen.
    Im Schnitt wogen die repräsentativ ausgewählten Damen gut 74

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