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Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte

Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte

Titel: Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Dribbusch
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Regel nicht so konsequent ignorieren wie meine langjährige Kollegin Gudrun. In gruseliger Erinnerung ist mir der Auftritt von Gudrun auf dem vorletzten Betriebsweihnachtsfest. Gudrun hat nach drei Glas Prosecco so richtig aufgedreht und kanalisierte dann ihre Energie in einer Schwärmerei über gut gebaute südländische Männer, die auf Kreuzfahrtschiffen allerlei Dienste tun. Neurotische deutsche Akademiker hätten es schwer, es mit diesem Typus Mann aufzunehmen, verkündete Gudrun. Ich hörte zu und sagte nichts. Man gewinnt vermutlich nicht gerade die Zuneigung der Umstehenden männlichen Geschlechts, indem man sie indirekt heruntermacht und sich gleichzeitig selbst als bedürftig präsentiert.
    »Mit Krokodilen habe ich schon zu tun«, sagt Volker und stellt sein Sektglas auf den Tisch. »Aber auch Hunde und Katzen spielen eine Rolle in meinem Job.« Er lächelt. Mysteriös. »Wenn du eine Stimmung herbeizaubern kannst, in der ihr beide euch wie heimliche Verschwörer fühlt, dann kann eigentlich nichts mehr schiefgehen«, rät Heimel. Eine Verschwörung. Aber ja, bitte gerne.
    »Ah, ein neues exotisches Berufsfeld«, sage ich. »Ein Neuanfang in späteren Jahren?« Verdammt, es ist keine gute Idee, auf unser Alter anzuspielen. Meine Freundin Suse hatte mir am vergangenen Wochenende einen neuen Flyer und eine Website gezeigt, die sie im Auftrag einer Arbeitsagentur entwickelt hat. » 50 plus– das ist der neue Nachwuchs«, lautete der Slogan auf dem Flyer. Damit sollte Arbeitgebern beigebracht werden, statt über Fachkräftemangel zu jammern, lieber über 50 -jährige Erwerbslose einzuarbeiten und weiterzubilden und nicht deren Bewerbungsschreiben von vorneherein in Ablage »P« zu entsorgen.
    »Die Älteren«, so der Text des Flyers, »verfügen über mehr Lernbereitschaft als jemals zuvor. Und über eine Erfahrung, mit der sie jedes Team wertvoll ergänzen.« Der Text war weitgehend vorgegeben, Suse hatte nur noch hier und da ein wenig gefeilt. Auf dem Werbefoto waren sechs Leute zu sehen, offenbar ein altersgemischtes Team, bei dem die Älteren durch ergrautes Haar und unvorteilhafte Frisuren leicht auszumachen waren.
    Der Flyer war gut gemeint, auch der Hinweis auf den Lohnkostenzuschuss, den Arbeitgeber bekommen, wenn sie Älteren eine Chance geben. Ich stellte mir unwillkürlich vor, dass ich bei der örtlichen Arbeitsagentur genau in dieser Kategorie landen würde, falls mich mein Verlag rausschmiss. Dann könnte ich mit so einem Flyer von Haus zu Haus ziehen, nur dass mich dann nicht mehr warmherzige Sekretärinnen einließen und mir Chefredakteure nicht mehr ihre kostbare Zeit schenkten, um ein »junges Talent« zu fördern, Flyer hin oder her. Warum gibt es eigentlich nicht den Begriff »altes Talent«? Klingt doch auch gut.
    Wie löse ich mich von meinen Erwartungen?
    Vielleicht hat Volker es auch nicht leicht. Schreibt vermutlich Kundenbroschüren für den Zoologischen Garten, das Tierheim oder Afrika-Reiseveranstalter. Public Relations machen viele in den späteren Jahren freiberuflich. Also Vorsicht.
    Doch Volker nimmt mir nichts übel. »Wenn wir schon bei exotischen Berufsfeldern sind: Ich hatte einfach keine Lust mehr auf Haifischbecken«, sagt er. »Und das ist die Medienbranche nun mal.« Er habe eine Weile bei einer Wochenzeitung gearbeitet, erzählt Volker. Dann wurde sein Vertrag als Autor nicht mehr verlängert. »So was geht ganz einfach. Plötzlich rief mich der Chefredakteur zu sich und erklärte mir, sie planten die Zahl der Autoren zu verringern. Man wolle auch bei den Pauschalisten umstrukturieren. Und da traf es mich. Schwupp, ein paar Tausend Euro pro Monat weg. War kein sehr schöner Moment«.
    Ich schlucke. Das muss ich jetzt erst mal interpretieren, so für mich: Ein Mann, der ein Scheitern eingesteht, der nicht mehr angibt. Vor mir. Sieht er mich nicht mehr als Frau? Bin ich etwa nur der Kummerkasten, das »alte Haus«? Oder, im Gegenteil, die Vertraute? Sind wir Verschwörer, Verbündete im Haifischbecken? Soll ich Volker ein bisschen bewundern? So offen über eine Niederlage zu sprechen, und das auch noch auf der Abschiedsparty von K., das ist ungewöhnlich. Volker kann davon ausgehen, dass die Geschichte weitergetratscht wird. Natürlich nicht von mir. Ich werde nur die Kollegen auf Stand bringen, falls sie mich nach Volker fragen.
    Volker erzählt endlich, was er heute macht: Er schreibt für ein Ökomagazin und hilft bei einer Bekannten in deren Yogastudio. Er gibt dort

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