Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte
Gruppe bewegt. Zusammenleben liegt in unserer Natur. Aber in unserer Natur liegt leider noch so einiges andere. Und das ist das Problem.
»Gundel, jetzt sag mal genau, was dir stinkt«, fordert der Herr mit dem grauen Wuschelhaar. Ich sitze mit Britt im Montagsmeeting der Wohnbaugenossenschaft »Grünspan«. Gundel hat den Bernstein in die Hand genommen, ein Zeichen, dass sie etwas ansprechen will, das ihr nicht passt.
Grünspan ist ein öffentlich gefördertes Wohnprojekt. Auf einem Neubaugrundstück entstand ein Block mit 20 Wohnungen, wo Leute verschiedenen Alters, Singles, Alleinerziehende und Paare in einer lockeren Hausgemeinschaft leben. Alles ist ökologisch gebaut, mit viel Holz und Grün. Wer auf den Laubengängen zu seiner Wohnungstür läuft, kann den anderen in die Küchenfenster gucken.
Unsere Freundin Lise wohnt seit Kurzem in dem Block. Britt interessiert sich auch dafür. Seit dem frühen Tod ihres Mannes und dem Auszug ihres Sohnes hat sich Britt zwar mit dem Alleinleben arrangiert, wäre aber offen für Neues. Ich kenne aus meiner journalistischen Arbeit schon einige solcher Wohnprojekte und bin aus Neugier mitgegangen.
Lise hat uns flüsternd die Sache mit dem Bernstein erklärt. Der Stein geht zu Beginn des wöchentlichen Meetings rum, und wer ihn fest in die Hand nimmt, kann offen sagen, was ihm stinkt. Die machen das hier professionell. Das ist nicht mehr wie früher in der WG .
Basisdemokratie in der Wohngruppe
Ich erinnere mich an unsere Studentenwohngemeinschaft vor 30 Jahren. Ich weiß noch, wie Peter, genannt Pit, damals sagte: »Also ich hasse Abspülpläne. Sind wir hier bei den Pfadfindern oder was? Lass uns den Küchenkram eher spontan machen, so wie man eben drauf ist.« »Spontan« war damals die Chefideologie, und Pit war der Boss, was mir damals aber nicht auffiel. In der Folge war Pit derjenige, der ganz spontan am wenigsten abwusch. Einen Bernstein hatten wir leider nicht.
Bei Grünspan haben bestimmt alle Geschirrspülmaschinen. Und jeder verfügt über ein Mitbestimmungsrecht. »Ich finde, der Vorhof könnte aufgeräumter sein«, sagt Gundel. »Warum liegen die Holzbohlen für die Pergola neben den Hauseingängen? Sieht aus wie auf einer Baustelle. Pflanzen können wir deshalb auch nichts vor den Eingängen.« Klingt logisch. Aber warum meinte eigentlich der Typ mit dem Grauschopf, Gundel extra zum Reden auffordern zu müssen? Ist er der selbst ernannte Chef hier?
Dabei finde ich die Leute sympathisch. Außer Lise und ihrer Freundin Inge sind noch zwei ältere und eine jüngere Frau dabei, der Typ mit dem grauen Wuschelkopf, ein älterer und ein jüngerer Mann und ein Paar in den mittleren Jahren. Die Leute schauen so aus, als sägten und malerten sie viel herum in ihren Wohnungen. Ich sehe weite Hemden, Sweatshirts, nur einen Sakko. Hier im Projekt ist Eigenarbeit gefragt. Die Grünspäne planen nicht nur einen Gemeinschaftsgarten und eine ehrenamtliche Kinderbetreuung im Haus, sondern auch Freizeiträume im Souterrain. Das hat Britt mir auf der Herfahrt erzählt.
Eine Frau mit langer roten Mähne, die ich als die Jüngste hier verorte, meldet sich zu Wort: »Die Holzbalken vom Hof zu schaffen und hinten am Grundstück zu lagern, halte ich für unpraktisch. Auf diese Schlepperei habe ich keine Lust. Ich würde lieber noch etwas mit der Bepflanzung warten, Gundel.«
Es ist beruhigend, dass sich die Frauen hier über das Schleppen von Holzbalken unterhalten. Konkrete Themen zum Anfassen, so was ist gut in Gruppen. Nicht zu viel Psycho, erst recht nicht unter Frauen. Eine Bekannte, Frau K., die zehn Jahre in einer Hausgemeinschaft nur mit Frauen in Berlin hinter sich hat, beklagte sich einmal bei mir: »Frauen sind oft so distanzlos. Das macht Gemeinschaften im Alter schwierig.«
In ihrem Hausprojekt mit Frauen im Alter zwischen 40 und 70 Jahren hatten die Bewohnerinnen Einzelappartements mit eigenen Küchen und Bädern gemietet. Die breiten Flure im Haus dienten als Gemeinschaftsflächen. Dort standen große Tische für gemeinsame Mahlzeiten. Als ich Frau K. besuchte, waren im ersten und zweiten Stock die Tische unbenutzt und an die Wand geschoben. Im dritten Stock stand ein Blumenstrauß auf dem Tisch. Nur in diesem Flur aßen die Frauen regelmäßig zusammen. »Ist eine Frage der Chemie, ob das überhaupt klappt mit dem Zusammenleben«, meinte Frau K. Sie wohnte im ersten Stock.
Ich lernte von ihr, dass in Hausgemeinschaften mit Frauen folgende Sätze tödlich
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