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Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte

Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte

Titel: Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Dribbusch
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sind: »Hella, ich glaube, du hast ein Mutterproblem«, und: »Lass uns die regelmäßigen Treffen nicht mehr alle zwei Wochen veranstalten. Einmal alle zwei Monate reicht auch«.
    Zwei Frauen in diesem Projekt hassten sich am Ende so sehr, dass die eine der anderen untersagte, an ihrer Tür zu klingeln. »Du setzt mich sonst unter Druck, weil ich öffnen muss«, klagte die Bewohnerin. »Ich fühle mich in meinen Grenzen verletzt.« Sie brachte einen Block mit Klebezetteln und einen Bleistift an ihrer Tür an. Darauf konnten die Wohnungsnachbarinnen schriftliche Nachrichten hinterlassen.
    Der Grenzverkehr zwischen Menschen ist heikel, vor allem in den späten Jahren, wenn wir schon ein bisschen starrsinnig sind. Zu viel Nähe tut auch nicht gut. In einem Hausprojekt mit älteren Frauen in Niedersachsen blieben die Bewohnerinnen bewusst beim »Sie« untereinander. Das Projekt hält sich schon seit langer Zeit.
    Alte Katzen unter sich
    In unserer Straße wohnt unsere Bekannte Edith, lange mit Reiner verheiratet und Mitbesitzerin einer dünnwandigenDoppelhaushälfte. Sie hatte ihrer neuen Nachbarin schon nach einer Woche das »Du« angeboten. Ein schwererFehler. Die Frau beschwerte sich alsbald, dassEdith im Sommer ihr Fenster offen ließe, wenn sie sich ihre Haare föhne: »Es ist nicht auszuhalten, dieses Dröhnen, wenn du deine Haare trocknest.« Wäre Edith beim »Sie« geblieben, wäre es der Nachbarin schwerer gefallen zu sagen: »Frau Burger-Niederhaus, es ist ein bisschen laut,wenn Sie im Sommer Ihr Fenster auflassenund IhreHaare föhnen.« Die Schwelle für Fiesigkeiten liegt höher, wenn man sich vorher nicht zu nahe gekommen ist.
    Unsere Reihenhaussiedlung ist spießig. Bei uns war auch noch kein Journalist, um etwas über die Gruppendynamik unter Nachbarn jenseits der 50 zu erfahren. Sonst hätte ich ihm erläutert, dass in Reihenhaussiedlungen die unausgesprochene »Der-Lieblingsnachbar-wohnt-gegenüber-Regel« gilt.
    Die Regel geht so: Weil es mit dem Nachbarn direkt nebenan oft Stress gibt wegen wuchernder Hecken, wandernder Blutläuse und so weiter, versteht man sich in der Regel am besten mit den Nachbarn auf der anderen Straßenseite. Die bleiben vom Pollenflug aus unserem Garten verschont, ihnen raubt unser Baum nicht das Sonnenlicht, und sie haben sich früher nie von unseren Kindern gestört gefühlt, wenn sie im Garten herumlärmten.
    Der Mensch ist ein Territorialwesen, behauptet meine Freundin Tine. Wir sind alte Katzen mit festgelegtem Revier. Das ist das Problem.
    Hier bei Grünspan wahrt man Distanz. Die Leute haben Britt und mich beim Eintreten gesiezt. »Guten Abend. Bitte bedienen Sie sich«, begrüßte uns eine Dame und wies auf die Thermoskannen mit Kaffee und heißem Wasser, neben denen ein Holzkasten mit Teebeuteln stand. Yogitee, Earl Grey. Daneben lagen Tüten mit Kartoffelchips und Salzstangen. Dogmatische Müslitypen sind das hier anscheinend nicht.
    »Wir könnten ja abstimmen über die Frage mit den Holzbohlen im Hof«, meint ein Grünspan-Mann. Er hat seine Windjacke nicht abgelegt. »Vielleicht sollten wir ein Meinungsbild erstellen.«
    »Es fehlen heute zu viele Bewohner, das reicht nicht für ein faires Meinungsbild«, entgegnet eine Dame mit Halstuch im Leopardenmuster. Die Frau ist sorgfältig geschminkt, vielleicht ist sie künstlerisch tätig. Das wäre wichtig für Britt.
    Britt hat recht nette Nachbarn in dem Mietshaus in Kreuzberg, wo sie in ihrer Dreieinhalbzimmerwohnung lebt. Britts junge Nachbarin, die obendrüber wohnt, schneidet Britt die Haare zum Freundschaftspreis. Die schon sehr alte Frau Hansen, die auf dem gleichen Stockwerk lebt, wird von Britt manchmal mit frischen Erdbeeren aus dem Supermarkt versorgt. Ein Zimmer ihrer Wohnung vermietet Britt zeitweise an Kulturstipendiaten aus dem Ausland. Bei ihr wohnten schon Liu, die toll Geige spielte, und Gonzales, der die deutschen Präpositionen erstaunlich präzise setzen konnte.
    Gemeinsamkeiten als Fundament
    Britt wäre dennoch offen für Neues, es käme auf die Leute an. Als wir im Auto zu Grünspan hinausfuhren, hatte sie laut überlegt, wann ein Wohnprojekt für sie lohnend wäre. »Die Frage ist: Sind Leute dabei, die dich interessieren? Hast du mit denen was gemeinsam?«
    Das ist das entscheidende Kriterium: die Gemeinsamkeit. »Man braucht etwas Drittes, das verbindet«, hatte auch Frau K. aus dem Berliner Frauenprojekt erklärt. Der Anspruch, irgendwie gemeinschaftlich wohnen zu wollen, reicht nicht aus

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