Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte
Sohn.
»Nein, mir macht es nichts aus«, hatte Theresa verkündet, als ihr Sohn Johannes kurz nach dem Abitur auszog in eine Wohngemeinschaft in Berlin. »Ich sage nur: Endlich!« Johannes, damals schon im Besitz eines Führerscheines und eines Motorrollers, war in den Jahren zuvor nur noch zu unregelmäßigen Zeiten zu Hause aufgetaucht wie ein maulfauler Pensionsgast.
Gerne ließ er sich noch von Mama die Wäsche machen und von den Eltern Geld für abendliche Unternehmungen und Klamotten geben. Er aß zur Unzeit vom erkalteten Mittagessen, nicht selten direkt aus der Pfanne, wie Theresa klagte. Ein gemeinsames Essen am Familientisch war mit Johannes schwerer zu organisieren als ein Staatsbankett zwischen dem US -Präsidenten und einem arabischen Diktator.
Auf der Jagd nach Burger und Döner
Vielleicht ist ein vererbtes biologisches Programm die Ursache dafür, dass manche Halbwüchsige ab einem bestimmten Zeitpunkt das Essen der Mutter oder des Vaters verschmähen und stattdessen lieber selbst auf die Jagd gehen, gewissermaßen als Zeichen der Unabhängigkeit und gar der Mannwerdung. Es scheint sich vor allem um Jungs zu handeln, die dem Initiationsritus der Essensverweigerung frönen. Wobei der Jungmann sich dann bevorzugt an leichter Beute stärkt, wie einem Weichbrötchen mit Chemiekäse und geformter Hackfleischscheibe oder einem Brotfladen mit fettem Fleisch, Krautsalat und Knoblauchsauce.
Jugendliche bereiten sich ihre Nahrung zwar auch mal selbst zu, dann ist unter »Kochen« aber eher das Erwärmen von Mahlzeiten in der Mikrowelle zu verstehen. Theresas Sohn Johannes hatte sich seinerzeit zum 16 .Geburtstag eine Mikrowelle gewünscht, um die Loslösung vom mütterlichen Versorgungstisch zu demonstrieren. Theresa hatte die Anschaffung eines solchen Küchengeräts bis dahin immer abgelehnt. In der Mikrowelle bereitete sich Johannes dann spät abends Rührei zu. Mein Sohn David bevorzugt für das Nachtmahl mit seinen Kumpels eine fertige Pancake-Mischung »Homestyle«, die mit Wasser angerührt aber immerhin noch traditionell in der Pfanne gebacken wird, was allerdings elterliche Nachwischarbeiten am nächsten Morgen mit sich bringt.
Die Ablösung kommt schrittweise: Zuerst fällt das gemeinsame Frühstück aus, weil der Nachwuchs lieber noch ein paar Minuten länger schläft. Dann wird das Mittagessen kaum noch gemeinsam eingenommen. Zum Abendessen sind die Sprösslinge dann entweder am Computer beschäftigt oder aushäusig. Und auch am Wochenende möchten sie die karge Freizeit lieber mit ihren Freunden verbringen.
Was bleibt, sind Mutter und Vater, die vor allem für die Bevorratung von Schokomüsli, Tiefkühlpizzen, Pancake-Mischungen und ähnlich zweifelhaften Nahrungsmitteln zuständig sind: »Heute gleicht der Kühlschrank einem familieninternen Selbstbedienungsladen. Mütter sind weiterhin verantwortlich für die Versorgung, das heißt, sie sorgen für einen gefüllten Kühlschrank und die Familienmahlzeiten«, so eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zur Jugendesskultur.
Anna wird künftig selbst den Kühlschrank füllen müssen in ihrer Wohngemeinschaft in Würzburg. Sie schleppt eine gelbe Ikea-Tüte mit Küchengeschirr zum Fordbus. Nach Absprache mit Suse hat sie die billige teflonbeschichtete Pfanne mitgenommen. »Hast du den hitzefesten Pfannenwender auch nicht vergessen?«, fragt Suse mit einem Blick in die Tüte. »Du weißt ja, dass du mit Metall nicht in der Teflonpfanne herumkratzen darfst. Und warum hast du keinen Topf eingepackt?«
Plastikpfannenwender. So was gab es bei mir damals noch nicht, als ich wegzog aus der Provinz nach Westberlin. Ein Topf kam allerdings mit, zum Spaghettikochen. In der ersten WG vergaß ich beim Miracoli nie, das Butterstückchen in die Tomatensauce zu geben, um den Geschmack zu verbessern, wie es auf der Packung steht. Das sind die ersten Feinheiten auf dem Weg zum Erwachsenwerden.
Zuerst begreift man gar nicht, dass man tatsächlich auszieht von zuhause. Es fühlt sich eher wie ein verlängerter Urlaub, wie eine Abenteuerfahrt an. In meiner ersten Wohngemeinschaft strichen wir das Klo rosa, tapezierten eine Küchenwand mit Alufolie und brachten in der Essecke kleine bunte Lämpchen aus dem Dekogeschäft an, so als sei immer Weihnachten. Dass es wirklich kein Zurück mehr gibt ins Elternhaus, weder innerlich noch äußerlich, begreift man erst später. Dann, wenn es Krach in der Wohngemeinschaft gibt, weil keiner den Abwasch
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