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Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte

Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte

Titel: Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Dribbusch
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Außerirdische schaffen. Die Provinz als neuer Erlebnisraum für Metropolenkinder– so spielt das Leben.
    Ich stehe beklommen daneben. Mein 17 -jähriger Sohn David lebt noch zuhause, aber meine Tochter Charlotte zieht demnächst auch aus. Na ja, noch nicht so richtig, aber vielleicht doch. Sie geht zum Studieren auf ein College nach England. Da wohnen sie in Einzelzimmern auf dem Campus und müssen zum Glück in den Ferien mit Sack und Pack wieder raus, damit Platz frei wird für die Leute, die zu den Ferienworkshops kommen. Es gibt ziemlich lange Ferien in England. Dann kommt Charlotte immer nach Berlin. Hoffentlich.
    Es ist ein heftiger Einschnitt, wenn die Kinder flügge werden. Manchmal kommt der Abschied sogar über Nacht. Suse erzählte mir von ihrer Kollegin M., alleinerziehend. Ihr Sohn lernte eine neue Freundin kennen. Mit 17 Jahren siedelte er gewissermaßen in die neue Familie über, von der er sagte, bei denen ginge es »echt locker« zu, wie M. Suse eines Tages unter Tränen erzählte.
    Von einem Tag auf den anderen war der Sohn so gut wie gar nicht mehr zuhause. M. schlief daraufhin wochenlang im Zimmer ihres Sohnes. Sie erklärte, das sei auch aus Tierschutzgründen notwendig, damit sich der Goldhamster, den der Junge zurückgelassen hatte, nicht so einsam fühle.
    Von Nestflüchtern und Kostgängern
    Einen frühen Abschied musste auch meine Bekannte B. verkraften. Ihre 15 -jährige Tochter hatte sich gewünscht, auf ein weit entferntes Internat zu gehen und dort bis zum Abitur zu bleiben. Um danach dringend zum Studium nach Spanien umzusiedeln, denn das graue Wetter in Deutschland mache sie fertig, hatte B.s Tochter verkündet. B. lag heulend auf dem Bett und hatte nicht mal mehr Lust, sich abends auszuziehen. Sie ließ sich auf Facebook registrieren und schnüffelte dort ihrer Tochter hinterher. So tief kann man sinken.
    Für viele Eltern wird es nach dem Abitur der Kinder so richtig ernst. Nach einer Erhebung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ( DIW ) ziehen Kinder mit Hochschulreife häufiger aus ihrer Heimatstadt weg als der Nachwuchs mit mittlerem Abschluss, was dem Studium geschuldet sein dürfte. Etwa ein Drittel der jungen Menschen mit Abitur bewegt sich mehr als 100 Kilometer weit weg vom Elternhaus. Der Nachwuchs aus meinem Umfeld ist unter der mobilen Jugend recht gut vertreten.
    Christoph findet es toll, wenn Charlotte und David selbstständig werden und sich ablösen. Ich bin anders gestrickt. Ich hatte meine erste Abschiedskrise, als Charlotte ein halbes Jahr in die USA ging. Eine Art Schüleraustausch. Ich weiß noch, wie ich am Tag nach Charlottes Abreise im Supermarkt eine Tube »Milchmädchen« kaufte. Das ist ein stark gezuckertes Kondensmilchkonzentrat. Man kann die süße Paste in den Kaffee oder Tee drücken oder aufs Brot schmieren. Sie weckt bei mir tröstende Kindheitserinnerungen. Mein seelisch labiler Jugendfreund Robby gestand mir mal, dass er an schlechten Tagen sogar heimlich an der Tube sauge. Alles ist legitim, wenn wir Trost brauchen. Auch in den späten Jahren.
    Doch das Leben schreitet voran. Jürgen, Annas Vater, trägt einen Kelimteppich aus der Wohnung zum Ford Transit. Jürgen wird den Transporter nach Würzburg fahren und leer wieder zurückbringen. »Das hat schon was Symbolisches, dass Anna sogar ihren Teppich mitschleppt«, meint Jürgen. Anna ist mit diesem Teppich aufgewachsen, als kleines Kind tollte sie darauf herum. Zuerst schmückte er das Schlafzimmer der Eltern, dann hat Anna den Kelim in ihr Jugendzimmer gelegt. Suse hat ihn in all den Jahren nur ein Mal reinigen lassen.
    »Ist vielleicht ein Übergangsobjekt, der Teppich«, sage ich. »Damit sieht es in Annas WG in Würzburg ein bisschen aus wie zuhause in Berlin.« »Ist jedenfalls schöner als unsere Flokatis früher«, seufzt Jürgen. Heute wirkt er gedämpfter als sonst, was ihn sympathischer macht.
    »Ich versteh gar nicht, warum ihr so bedröppelte Gesichter macht«, sagt Theresa, die eine halbvolle Bücherkiste zum Transporter schleppt. »Ist doch toll, wenn die Kinder rausgehen in die Welt. Auch wenn es nur Würzburg ist.« Mütter und Väter von volljährigen Kindern lassen sich meiner Beobachtung nach in zwei Gruppen einteilen: Die erste, die größere Gruppe, sucht Trost wegen des Wegganges der Kinder. Die zweite Gruppe, zu der auch Christoph gehört, hat kein Problem damit, dass der Nachwuchs auszieht. Mancher ist sogar erleichtert. So wie Theresa bei ihrem ältesten

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