Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte
bei jedem Schritt. Das soll entweder ungesund sein oder das Knochenwachstum anregen, da gehen die Meinungen auseinander. Mit zu viel Muskeltraining überfordert man jedenfalls schnell die Sehnen, denn diese zarten Verbindungen zwischen Muskeln und Knochen lassen sich kaum trainieren. Ein Missverhältnis, das allerlei Sportverletzungen nach sich zieht. Ich würde gerne in ein ehrliches Gehtempo wechseln. Doch von den anderen Teilnehmern geht niemand, die traben alle munter weiter, als wäre das ihre normale Fortbewegungsart.
Wovon wir als Kinder schwärmten
Vielleicht sollte ich lieber mit medizinischem Sport an Geräten anfangen, als kilometerweit auf Asphalt zu joggen. Gezieltes Training in einem Studio für gesundheitlich Angeschlagene, das wäre eine Alternative. Christoph macht das seit Kurzem und schwärmt davon. Keine Zeitmessungen, kein buntes Outfit, nur konzentriertes Schieben, Drücken und Ziehen an Geräten, damit genau die richtigen Rückenmuskeln trainiert werden als Vorbeugung gegen Verspannungen und Bandscheibenverschleiß. Ärztlich überwachter Arbeitssport.
Allerdings lässt sich durch Training der altersbedingte Muskelschwund auch nicht stoppen. Durch Sport werden lediglich die verbleibenden Muskeln verdickt, sagt der niederländische Biologe Midas Dekkers. Muskeln verdicken, hm. Ich sollte doch lieber auf Suse hören.
Suse lehnt Verschönerungsgymnastik und Arbeitssport energisch ab. Jede Ertüchtigung, durch die man irgendwelche Alterserscheinungen ausgleichen will, ist ihr ein Gräuel. »Das Richtige für Frauen in unserem Alter ist der Romantiksport«, behauptete Suse in einem Beitrag für ihren Blog. »Lasst uns das tun, wovon wir als Kinder geschwärmt haben: reiten, segeln, klettern. Da freut sich die Seele.«
Als ersten Versuch in Sachen Romantiksport ist Suse wieder geritten, weil sie so tolle Erinnerungen an Pferde hat. Die Reitkurse auf dem Ponyhof– das war das reine Mädchenglück. Davon müsste doch auch später im Leben noch was abzuholen sein. Suse buchte kurzerhand einen dreitägigen Wanderritt durch Brandenburg.
Nach dem Pferdetrekking gestand sie mir, dass die Tour viel Durchhaltevermögen erfordert hätte. Zwischendurch sei sie immer wieder abgestiegen, um zu gehen und sich zu strecken. »Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben bei einem Ausritt auf die Uhr geschaut, um zu sehen, wie lange ich noch reiten muss«, schilderte sie mir. Reiten muss! Das sind Wendepunkte im Frauenleben.
Im Rückblick erzählt Suse jedoch gerne vom Wanderritt und schmückt die Tour gegenüber anderen zusehends aus. Jetzt war es »ein einmaliges Erlebnis«, ein Abenteuerritt mit »absolut originellen Leuten« und »nicht ganz einfachen Pferden« in einer verwunschenen Landschaft.
Was guttut, hängt von der Perspektive ab. Beim Frühlingslauf sehe ich die meisten Läufer jetzt nur noch von hinten. Ich bekomme einen Schweißausbruch. Sind das die Hormone? Denn eigentlich jogge ich zu langsam für sportliches Schwitzen. Einige Leute auf meiner Höhe verfallen endlich ins Gehtempo, ich schließe mich dankbar an. Ist eh nur ein Versuch heute für mich gewesen nach der langen Trainingspause.
Nach fünf Kilometern in 50 Minuten erreiche ich das Ziel. Ich war zwar langsam, aber angeblich verbraucht man bei einem einstündigen strammen Spaziergang genauso viele Kalorien wie wenn man die gleiche Strecke in einer halben Stunde joggt und anschließend nichts mehr tut, tröstet mich der Sporthasser Dekkers.
Wegen der Ehre verfalle ich am Ende doch wieder in Trab und jogge vorschriftsmäßig die letzten Meter durch das elektronische Tor. Theresa ist schon länger da und sagt zum Glück nichts von »Hauptsache dabei gewesen«. Britt wartet auf mich mit meiner Sweatjacke. Sie legt mir die Jacke um wie einem Profiboxer nach dem Kampf. Sie hat Sinn für Show.
»Das reicht mal wieder für ein Jahr an Volkssport«, sagt Winnie. Er ist aus seinen Inlinern gestiegen und hat Turnschuhe angezogen. Wir gehen zum Bratwurststand.
Romantik in der Felswand
Das war’s mit dem Joggen. Ich mache jetzt auch Romantiksport. Aber welchen?
Lise schwört neuerdings auf das Gehen in der Stadt. Stadtwandern sei das Romantischste überhaupt, findet sie. Der Kopf werde klar, der Körper trainiert, die Gelenke nur wenig belastet und man sehe die unterschiedlichsten Gesichter und Milieus. Sie fühle sich wie ein Tourist in ihrer eigenen Stadt, wenn sie von ihrem Büro in Mitte durch Kreuzberg nach Schöneberg wandere, wo sie
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