Aengste verstehen und hinter sich lassen
sein, ohne diese Tabletten unterwegs zu sein. Deshalb ist es ratsam, alle Handlungen, Gedanken, Gewohnheiten zu erkennen, die in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem Symptom vorhanden sind.
Ängstlichkeit und Sicherheitsbedürfnis
In vielen Fällen begünstigt eine extrem hohe Ausprägung des Sicherheitsbedürfnisses die Ausbreitung von Angstsymptomen. Im ungünstigen Fall entwickelt sich sogar eine Eigendynamik: Führt das Sicherheitsbedürfnis zu einer vermehrten Beschäftigung mit bedrohlichen Faktoren und deren Vermeidung, so kann es passieren, dass die Toleranz gegenüber Unsicherheit immer geringer wird. Der Stellenwert, den die Bekämpfung der Unsicherheit und des vermeintlich Gefährlichen erfährt, wächst beständig, sodass die subjektive Bedeutung des Gefährlichen (die „gefühlte Gefahr“) wächst.
Zeigt eine Mutter gegenüber ihrem Kind ein extrem hohes Sicherheitsbedürfnis und Ängstlichkeit, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das Mutter-Kind-Verhältnis hiervon entscheidend geprägt wird und das Kind selbst entweder ein ähnlich großes Sicherheitsbedürfnis entwickelt oder sich gegen ein solches Sicherheitsbedürfnis entschieden zur Wehr setzt.
Aus dem Beschriebenen wird deutlich: Ein übersteigertes Sicherheitsbedürfnis ist häufig die Folge zu ungünstiger Lernerfahrungen. Erst die wiederholte Erfahrung eigener hilfreicher Bewältigungsmöglichkeiten führt zu einem Abbau des Sicherheitsbedürfnisses.
Belastende Lebenserfahrungen
Ein zweiter möglicher Einflussfaktor können bisherige belastende Lebenserfahrungen sein. Studien weisen auf eine hohe Belastung durch Lebensereignisse vor Beginn einer Angststörung hin. Das können der Verlust einer wichtigen Bezugsperson, Krankheit oder körperliche Überbelastung, aber auch Konflikte am Arbeitsplatz oder finanzielle Sorgen sein. Kommen unkontrollierbare Lebensereignisse und eine unsichere Bindung zusammen, macht das verwundbarer.
Menschen unterscheiden sich erheblich hinsichtlich des Ausmaßes und der Art bisheriger belastender Erfahrungen. Dabei soll jedoch nicht der Eindruck erweckt werden, als ob das Fehlen jeglicher Belastungen eine stabile psychische Entwicklung garantiert. Der Umgang mit Schwierigkeiten und das kreative Finden von Bewältigungsmöglichkeiten können psychisch durchaus stabilisieren und wie psychologische Impfungen wirken. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die „Dosis“ der Belastung ähnlich wie bei der Impfung stimmt. Erst wenn die Belastungsdosis die eigenen Bewältigungsmöglichkeiten deutlich übersteigt, wirkt die Belastung eher schwächend.
Übung
Zeichnen Sie Ihre Lebenslinien
Unabhängig davon, ob jemand in seinem Leben Extremerfahrungen gemacht hat oder nicht, ist es hilfreich, die eigene Angstentwicklung im Zusammenhang mit wichtigen Lebensphasen zu verstehen. Hierzu eignet sich das Aufzeichnen verschiedener Lebenslinien, wozu wir Sie anhand des folgenden Beispiels einladen.
In eine Zeichnung können Sie mit der einen Farbe die Lebenslinie Ihrer Lebensqualität eintragen und markante Lebensphasen.
In einer anderen Farbe können Sie die Schwere Ihrer Angstsymptomatik eintragen und ebenfalls markante Zeitphasen genauer beschreiben.
Sie können versuchen, diese Linien zunächst grob und dann in einem späteren Anlauf differenzierter zu machen und erhalten auf diese Weise vielleicht noch einmal eine biografische Einordnung der Symptomatik.
Wie sehen Ihre Lebenslinien aus?
Im Beispiel wird offenbar, dass die beginnende soziale Ängstlichkeit der Partnerschaft und Heirat vorausgingen, die Heirat die Symptomatik und die Lebensqualität jedoch offensichtlich nicht positiv beeinflusst, sondern eher verschlimmert hat. In einer Erweiterung dieser Übung könnten Sie nun noch eine dritte Farbe verwenden und Lebensphasen oder Aktivitäten einzeichnen, die Sie als ausgesprochen hilfreich erlebt haben.
Herausforderungen als Wachstumsimpuls begreifen
Viele Menschen haben in ihrem bisherigen Leben selten oder nie eine tatsächliche Bedrohung ihrer Existenz erfahren. Andere Menschen haben äußerst bedrohliche Situationen wie Unfälle, Katastrophen, Krankheit, Gewaltandrohung, Gewaltanwendung, Folterung oder Misshandlung erfahren. Im statistischen Durchschnitt gehen solche Extremerfahrungen mit einer größeren Krankheitsbereitschaft einher. Dennoch wollen wir noch einmal wiederholen und feststellen, dass auch das Fehlen jeglicher Belastungen in der Lebensentwicklung psychische Erkrankungen begünstigen
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