Äon
Aufgabe bereits Spaß zu machen«, sagte Olmy.
»Ich bin nun mal pervers. Das ist die weitaus verrückteste Sache, mit der du dich je herumgeschlagen hast. Unheimlich aufregend!«
»Könnte von unschätzbarer Bedeutung sein«, sagte er laut mit falscher Grabesstimme.
»Kein Piktographieren mehr?«
»Nein, sprechen wir das langsam und gründlich durch.«
»Gut«, sagte sie. »Ich soll also ihr Anwalt sein. Wieviel Verteidigung wird sie brauchen, was meinst du?«
»Das kannst du dir vorstellen«, erwiderte Olmy. »Sie ist völlig unbedarft. Sie braucht eine soziale und psychologische Eingliederung. Sie braucht Schutz. Wenn ihr Status enthüllt wird, was sich meiner Meinung nach nicht vermeiden läßt, auch wenn der Präsident und Präsidierende Minister anderer Ansicht sind, gibt es eine Sensation.«
»Du drückst es gelinde aus«, sagte sie. Sie bestellte Wein, und schon schwebten drei statisch gesteuerte, weingefüllte Kugeln in ihren Lichtkegel. Sie reichte Olmy einen Halm. »Hast du die Erde mit eigenen Augen gesehen?«
Er nickte. »Ich ging mit dem Frant an unserem zweiten Tag auf der Thistledown zum Bohrloch. Fernaufnahmen überzeugen eben nicht so, wie wenn man’s mit eigenen Augen sieht.«
»Altmodischer Olmy«, meinte Ram Kikura lächelnd. »Aber ich hätte an deiner Stelle dasselbe getan. Und hast du den Tod auch gesehen?«
»Ja«, sagte er und starrte in die Dunkelheit. Er kratzte sich mit zwei Fingern den schwarzen Flaum, wo sein Haar in drei Büschel gescheitelt war. »Zunächst nur per Fernaufnahmen, da im Bohrloch ein Gefecht tobte und ich nicht durchkonnte. Nach dem Gefecht flogen wir hinaus und sahen es uns an.«
Ram Kikura berührte seine Hand. »Was hast du dabei empfunden?«
»War dir schon einmal nach Weinen zumute?«
Sie sah ihn von der Seite an, um abzuschätzen, was er fühlte. »Nein«, sagte sie.
»Nun, ich wollte weinen. Und will es seitdem oft, wenn ich daran denke. Ich versuchte auf dem Rückweg, die Empfindung mit Talsit zu klären. Marathonsitzungen! Das Talsit konnte nicht alles bereinigen. Ich empfand unsere Anfänge nach… auf einer versauten, dreckigen, toten und sterbenden Welt.« Er erzählte ihr von Patricias Trauer. Ram Kikura wandte sich angewidert ab.
»Wir können nicht freisetzen, wie sie’s getan hat«, sagte er. »Es ist uns nicht mehr gegeben – wieder so etwas, das uns abhanden gekommen ist.«
»Trauer ist nicht produktiv. In ihr manifestiert sich lediglich ein Unvermögen, sich mit Änderungen der Gegebenheiten abzufinden.«
»Manche orthodoxen Naderiten haben diese Vermögen noch«, sagte er. »Sie erachten Trauer als edle Regung. Manchmal beneide ich sie.«
»Du bist organisch gezeugt und geboren. Auch du hast dieses Vermögen einmal gehabt. Warum hast du es abgestoßen?«
»Zur Anpassung«, erklärte Olmy.
»Du wolltest dich anpassen?«
»Aus höheren Beweggründen, ja.«
Ram Kikura schauderte. »Unser Gast wird uns alle für ganz schön merkwürdig halten, weißt du das?«
»Das ist ihr gutes Recht«, sagte Olmy.
35. Kapitel
Das Unwetter begann als beschleunigtes Steigen und Fallen von Luftmassen in der ersten Kammer, die sich dabei aneinander rieben und dicke, dunkle Wolken erzeugten. Westliche Wissenschaftler führten in der Mitte der Kammer an der Straße Null hastige Messungen durch und zogen sich flugs in ihre Laster zurück. Staub und Sand wirbelten in gewaltigen Windhosen empor und verdichteten sich zu Schichten. Diese Staubschichten blähten sich auf und wogten schließlich wie Wellen in einem Kanal von Kappe zu Kappe. Kameras im Bohrloch verzeichneten das Phänomen, gegen das sich allerdings nichts ausrichten ließ. Entweder war der Sturm geplanter Bestandteil des kammerinternen Wettersystems, oder aber die Kammer verfügte über keine wirksame Wettersteuerung. Immerhin war sie nicht ständig bewohnt gewesen. Demnach war die Wettersteuerung als unwesentlich vielleicht unterblieben.
Während der Besatzungsjahre auf dem Stein war etwas derartig Heftiges noch nicht geschehen. Die Staubschichten setzten sich über dem Boden zu einer trüben Wolke von mehreren Kilometern Dicke ab. Über dem Staub wurden die Wasserwolken immer schwärzer.
Gegen siebzehn Uhr – sechs Stunden nach den ersten Böen – fiel Regen durch den Staub und landete in dicken Schlammtropfen. Im ersten Lager verkrochen sich die Leute, teils erschrocken, teils fasziniert vom jähen Wetterumschwung, in den Unterkünften.
Hoffman verfolgte das Treiben hinter
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