Äon
der schlammbespritzten Fensterscheibe, lutschte am Fingerknöchel und runzelte die Stirn. So dunkel wie jetzt war es auf dem Stein noch nie gewesen, und das Dämmerlicht machte sie schläfrig und zufrieden.
Blitze gingen in der ganzen Kammer nieder; Techniker und Mariner trotzten dem Unwetter und brachten an den Gebäuden provisorische Blitzableiter an.
Im russischen Führungsquartier in der Mitte des zweiten Lagers wurden Unwetter und Dunkelheit ignoriert. Die Auseinandersetzung über die militärische und politische Führungsstruktur dauerte lange bis in die Schlafperiode hinein, wobei am vehementesten Belozerski und Jazikow auftraten, während Vielgorski sich eher im Hintergrund hielt.
Mirski bestand auf eine militärische Organisation und weigerte sich, Abstriche in seiner Machtstellung vorzunehmen oder seine Macht gleichberechtigt mit (und diesen Ausdruck betonte er) untergeordneten Offizieren zu teilen.
Belozerski schlug eine echte sowjetische Gliederung vor mit einem zentralen Parteikomitee und einem Generalsekretär – hierfür war Vielgorski vorgesehen – und einem Präsidenten und Vorsitzenden, die über einen Obersten Sowjet fungierten.
Erst einen Tag zuvor hatten Mirski und Pogodin, Kommandant in der ersten Kammer, den Baubeginn eines russischen Lagers in der vierten Kammer überwacht. Es war erlaubt worden, Holz aus den dichten Waldungen zu schlagen. Werkzeug war Mangelware, wie alles andere auch.
Die Verhandlungen über die zweite Kammer waren in eine hitzige Phase eingetreten, als Archäologen der NATO gegen die Entweihung ihrer angestammten Territorien protestierten. Mirski hatte Hoffman mitgeteilt, daß die Kartoffel nicht länger Denkmal, sondern Zuflucht sei.
Das hatte ihn ausgezehrt. Die langen Sitzungen in der Bibliothek der dritten Kammer, die oft den Schlaf ersetzten, hatten das ihre beigetragen; und nun auch das noch.
»Wir müssen die Stellen besetzen, bevor wir die politische Struktur endgültig festlegen«, erklärte Mirski. »Wir haben weiter nichts als provisorische Zelte und dieses Lager und Hoffman.«
»Diese Kuh«, kommentierte Belozerski trocken. »Ist noch schlimmer als der doofe Lanier.«
Vielgorski tippte Belozerski auf die Schulter, und der Leuteschinder setzte sich gehorsam. Vielgorskis Aufstieg unter den politischen Offizieren erstaunte Mirski nicht, behagte ihm jedoch wenig. Mirski war sich sicher, mit Belozerski fertigzuwerden. Vielgorski hingegen, der listige, lauernde mit der gebieterischen Stimme, und Jazikow, der scharfsinnige Paragraphenreiter, stellten für Mirski eine ernste Bedrohung dar.
Gab es keine Möglichkeit, Vielgorski und Jazikow »abzuwenden« und ihre Talente so einzusetzen, daß sie sich selber schadeten?
Für ihn arbeitete – so war er überzeugt – das Wissen, das er kontinuierlich erwarb. Vielleicht sollte man besser von Aufklärung sprechen. Mirski war es bisher verwehrt geblieben, sich frei durch so gewaltige und vielfältige Datensammlungen zu bewegen. Sowjetische Bibliotheken – ob zivile oder militärische – waren stets streng reglementiert gewesen; Bücher waren nur für den einsehbar, der die Notwendigkeit nachweisen konnte. Simple Neugier war verpönt.
Er war sich nicht einmal über die geographischen Gegebenheiten seines Landes sicher. Für Geschichte hatte er sich nie besonders interessiert, wobei die Geschichte der Raumfahrt eine Ausnahme bildete. Das Wissen, das er nun in der Bibliothek der dritten Kammer erwarb, krempelte ihn völlig um.
Seinen Kollegen enthielt er all das vor; mühsam verbarg er sogar, daß er nun Englisch, Deutsch und Französisch sprach und gerade Japanisch und Chinesisch lernte.
»Im Gegenteil«, sagte Belozerski mit einem Blick auf Vielgorski. »Politische Überlegungen haben stets Vorrang zu haben! Wir dürfen weder die Revolution noch ihre Ideale aufgeben; wir sind die letzte Feste der…«
»Ja, ja«, unterbrach Mirski ungeduldig. »Jetzt sind wir alle müde. Machen wir Pause und fahren morgen fort!« Er blickte zurück auf Garabedian, Pletnew und Sergei Pritikin, den Chefingenieur des wissenschaftlichen Teams. »Genosse Major Garabedian, ich bitte, die Herren hinauszubegleiten zu ihren Zelten und die Außenposten zu kontrollieren.«
»Es gibt mehr zu besprechen, als uns Zeit bleibt«, meinte Vielgorski grollend.
Mirski fixierte ihn mit den Augen und lächelte. »Richtig«, meinte er. »Aber wenn man müde ist, wird man grantig und gereizt und kann nicht mehr klar denken.«
»Schwäche und
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