Äon
Ganze, wie Olmy meint.«
»Sie sind sehr hoch entwickelt, nicht wahr?«
»O ja«, erwiderte Patricia. »Aber vieles ist für uns durchaus noch begreifbar. Unsere Räume hier unterscheiden sich beispielsweise kaum von jener Wohnung in der dritten Kammer, die Takahashi mir gezeigt hat.«
Lanier hatte nichts von Takahashis Verrat erwähnt und hielt es nicht für notwendig, das jetzt nachzuholen.
»Die komplette Ausstattung ist Illusion«, erklärte Patricia. »Da ist ein Piktor, eine Art Projektor, in jedem Raum. Er täuscht uns vor, was wir sehen und fühlen. Die Möbel sind in der Grundform vorhanden, aber alles andere ist projiziert. Diese Technik verwenden sie schon seit langer Zeit, seit Jahrhunderten. Sie haben sich daran gewöhnt wie wir an den elektrischen Strom.«
Lanier ergriff den STERN und blätterte darin und zog dann darunter ein TIME aus dem Stapel. »Die Magazine, die Vase sind nur irgendwo gespeicherte Aufzeichnungen, die projiziert werden?«
»So wird’s sein.«
»Und wir werden jetzt beobachtet?«
»Nein. Ich habe mir sagen lassen, daß dem nicht so ist. Die Privatsphäre wird hier sehr geachtet.«
»Du hast gesagt, du kannst dir denken, warum sie dich gewählt haben.«
»Nun, das ist nur geraten. Olmy hatte vielleicht Bedenken, daß ich eine Möglichkeit fände, die Maschinerie in der sechsten Kammer zu verändern.«
»Aber wollte er dich nicht in Sicherheit bringen?«
»Außer Gefahr!« Sie stand auf und deutete mit einem Kopfnicken aufs Dekor. »Gefällt dir das hier?«
»Sie haben ganze Arbeit geleistet.« Er zuckte die Achseln. »Und es ist bequem.«
»Sie verstehen sich darauf, die Dekoration auf den Bewohner abzustimmen. Meine Zimmer sind auch bequem. Aber nicht unbedingt gemütlich… wie daheim.«
Die Verzweiflung hinter ihrer Unbeschwertheit wurde für einen Moment offenbar in ihren harten, starren Augen. »Ich verkrafte nicht alles so gut. Zum Teil bin ich ganz schön durcheinander.«
»Das ist… nicht ungewöhnlich«, meinte Lanier.
»Sie werden mir helfen«, sagte sie. »Sie werden mir helfen heimzufinden. Das können sie nämlich. Sie wissen’s nur noch nicht. Aber sie werden mir helfen. Soviel weiß ich inzwischen. Der Korridor ist eine verzwickte Sache.« Sie verhakte ihre Finger und verdrehte die Arme. »Komm, gehn wir zu den andern!«
Olmy stand neben Suli Ram Kikura in der Mitte des kreisrunden Aufenthaltsraums. Er stellte ihr die fünf ausführlich vor und teilte ihr mit, welche Funktionen sie auf der Thistledown erfüllt hatten. Lanier staunte, wie gut Olmy im Bild war; offenbar führte er über sie alle Buch.
»Und das ist Suli Ram Kikura, euer Anwalt. Eure Ankunft per Röhrengleiter war extrem illegal, so daß sie für euch tätig werden mußte. Sie hat erreicht, daß das Verfahren aufgrund der Umstände eingestellt wird.«
»Und auf Weisung des Präsidierenden Ministers«, fügte sie hinzu. »Als Anwalt meiner Position hätte ich es alleine nicht geschafft.«
»Sie unterschätzt sich gern«, erklärte Olmy.
»Nachdem wir uns nun kennengelernt haben, sollten wir für Klarheit sorgen«, begann Ram Kikura. Olmy setzte sich und verschränkte die Arme. »Zuerst möchte ich erwähnen, daß die meisten Bürger und Klienten von Axis City und von den Kommunen entlang des Weges mittels Piktographie kommunizieren.« Damit berührte sie ihren Halsring und blickte zu Heineman. Lichtblitze tanzten vor seinen Augen herum. »Ich trage einen persönlichen Piktor. Ihr werdet in wenigen Tagen einen eigenen Piktor erhalten. Es ist zwar nicht unbedingt erforderlich, daß ihr die Graphiksprache erlernt, wäre aber sehr hilfreich. Der Unterricht sollte nicht länger als ein paar Tage in Anspruch nehmen. Miss Vasquez – Patricia – hat sich bereits brauchbare piktographische Kenntnisse erworben.«
»Danke«, sagte Patricia.
»Ich spreche amerikanisches Englisch, und das seit Jahren, weil ich stolz auf mein amerikanisches Erbe bin.
Als ihr mich gesehen habt, ist euch vielleicht die amerikanische Flagge über meiner linken Schulter aufgefallen. Das wird häufig praktiziert von Ameriphilen; es symbolisiert unseren Stolz. Nach dem Tod galt es als Schande, von amerikanischer oder russischer Abstammung zu sein. Wer sich zu seiner Herkunft bekannte, wurde verfolgt, wobei den Amerikanern noch stärker zugesetzt wurde als den Russen. Als Südamerikaner und Mexikaner große Teile von Nordamerika wiederbevölkerten, wurden alle mit amerikanischer Staatsbürgerschaft verhaftet.
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