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Äon

Äon

Titel: Äon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Feuer. Olmy, der das Gefühl genoß, verzog das Gesicht und grinste zugleich. Er hatte schon früher Partielle von sich in den Tod geschickt und nie erfahren, was sie dabei empfanden. Nun würde er es selber empfinden…
    Und der Original-Olmy würde’s trotzdem nie erfahren.
    »Die Monitore halten der eigentlichen Plasmafront den Bruchteil einer Sekunde stand«, erklärte er Lanier. »Wir werden also einen Moment wie im Innern eines Sterns erleben…«
    Lanier, der weder Schmerz noch große Furcht empfand, wandte sich direkt nach Norden zum Kern der Glut, die mit sechstausend Kilometern pro Sekunde heranfegte.
    Es blieb nicht mal Zeit, die Empfindung wahrzunehmen.
     
    Auf dem Defektschiff, das dem wütenden Plasma bedrohlich nahe war, rieb Lanier sich die Augen und sagte sich immer wieder, daß er seine Pflicht erfüllt und die ihm anbefohlene Patricia bis zuletzt begleitet habe.
     
    Das Klavikel lag noch in ihrer Hand und die Tasche hing noch über der Schulter, als Patricia aus fünf, sechs Metern Höhe ins Wasser fiel.
    Sie wurde nicht einmal naß. Sie lag wie betäubt in der treibenden Traktionsblase. Das Wasser – ein Fluß oder Kanal – trug sie einige Dutzend Meter von der Toröffnung fort. Sie blickte zur Seite, um zu sehen, wo sie war.
    Das war gut so. Eine intensive, bläulich-weiße Feuerzunge zuckte durchs Tor und fuhr hinter Patricia ins Wasser, das verdampfte und alles in weiße Schwaden hüllte. Zu ihrem Glück war das Tor innerhalb einer Millionstel Sekunde zugeschmolzen und dicht.
    Patricia lag halb blind in der Blase und bedeckte mit der Hand die Augen. So trieb sie noch ein paar Minuten dahin, bis sie auf eine Sandbank geschwemmt wurde. Inzwischen hatten sich ihre Augen wieder erholt.
    Sie stand auf und blickte sich mit klopfendem Herzen um.
    Sie befand sich am Ufer eines breiten, geraden Kanals. Das braune, schlammige Wasser floß träge, das Ufer war mit hohem grünen Schilf bewachsen. Der Himmel war strahlend blau und wolkenlos und die Sonne grell.
    Nicht ohne Skrupel stellte sie die Traktionsblase ab und tat einen tiefen Atemzug. Die Luft war sauber und warm.
    Patricia war schwerer als auf Timbl. Diesmal hatte sie keinen Gürtel, der ihr Auftrieb verschaffte. Die Schwerkraft war unangenehm.
    Das war unleugbar die Erde und sicher kein atomar verseuchtes Ödland. Vielmehr kam ihr die Gegend bekannt vor. Sie hatte das alles schon einmal gesehen – in der Bibelstunde, die sie auf Ritas Drängen als Kind besucht hatte.
    Patricia bedeckte die Augen und blickte nach Westen.
    Jenseits des Kanals standen auf einer Anhöhe strahlend weiße Pyramiden, die Kilometer entfernt, aber in der klaren Wüstenluft gut zu sehen waren. Patricia wurde ganz aufgeregt.
    Ägypten. Von Ägypten käme sie nach Hause – das wäre weiter kein Problem.
    Sie wandte sich um. Auf einem wackligen Holzsteg im Schilf stand ein kleines braunes Mädchen, keine zehn, elf Jahre alt, das bis auf ein weißes Lendentuch nackt war. Das Haar hing in vielen langen, straffen Zöpfen herab; in die Spitzen war jeweils ein blauer Stein geflochten. Das Mädchen sperrte vor Staunen und Furcht den Mund auf.
    »Hallo!« rief Patricia und stieg das sandige Ufer hinauf. »Do you speak English?«
    Das Mädchen wirbelte herum und lief flugs fort. Im ersten Schreck glaubte Patricia schon, sich um Jahrtausende vertan zu haben und im alten Ägypten gelandet zu sein.
    Dann hörte sie ein Brummen in der Ferne und blickte hoch. Ihre Erleichterung war so groß, daß sie beinahe in Jubel ausgebrochen wäre. Das war ein Flugzeug, vermutlich ein Jet, der da hoch über der Wüste flog.
    Als sie mit dem Klavikel in der Hand am Ufer des Kanals entlangging und schon überlegte, ob sie die Traktionsblase reaktivieren sollte, da die Sonne unangenehm heiß wurde, stieß sie auf eine Straße, der sie folgte. Hinter einem Dattelpalmenhain gelangte sie in ein viereckiges Dorf mit weißgetünchten Ziegelmauern; die Häuser waren streng rechteckig und einheitlich. Nur wenige Menschen waren zu sehen, da gerade Mittagszeit war und die meisten vermutlich ruhten, bis es wieder kühler wäre.
    Irgend etwas beunruhigte Patricia. Sie hatte zunächst gar nicht daran gedacht, aber jetzt fiel es ihr ein…
    Sie legte das Klavikel auf die steinerne Straße, hielt schützend die Hände über die Augen und richtete den Blick wieder gen Westen. Von hier aus war zu sehen, daß die Pyramiden von dichten Hainen einer ihr fremden Baumart umgeben waren. Das machte sie stutzig. Standen

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