Äon
Ann. »Den anderen kenn’ ich nicht.«
Mirski überraschte sie nicht. Fremde durchschaute sie im Gegensatz zu eigenen Leuten auf den ersten Blick. Soviel zum Instinkt eines Verwaltungsasses.
Ihre Unterkünfte verteilten sich auf die ganzen Bezirke. Neue Homomorphe nahmen sie in Empfang, während die Gruppen immer weiter aufgeteilt und in verschiedene Etagen geführt wurden.
»Die Apartments werden jeweils zu dritt belegt«, erklärte ihr Begleiter. »Es herrscht zur Zeit Platznot.«
»Zimmergenossen?« fragte Cunningham Hoffman und Blakely.
»Zimmergenossen«, sagte Hoffman. Blakely nickte.
Ihre zwölfköpfige Gruppe schmolz rasch zusammen, als sie in Dreiergruppen in verschiedene Wohnungen geschleust wurden. Zuletzt waren nur mehr sie drei übrig. Es begleitete sie eine weibliche Homomorphe, die eine russische Flagge über der Schulter hißte. Ihr Apartment lag am Ende eines langen, leicht gekrümmten, zylindrischen Gangs. Grüne Nummern unter der Tür leuchteten hell auf beim Näherkommen.
Die Räume waren klein und kahl. Die Homomorphe blieb noch und führte sie in den Gebrauch des Datenservice ein. Daraufhin wünschte sie ihnen alles Gute und ging.
»Die hat’s aber eilig«, kommentierte Blakely kopfschüttelnd.
»Da wir hier entweder auf Eis gelegt oder für die Dauer der Fahrt verwahrt werden«, sagte Hoffman, »sollten wir es uns erst mal gemütlich machen.«
In den nächsten Minuten besprachen sie eifrig die Möglichkeiten der Ausstattung mit einem zugeteilten Geist aus der Bibliothek. Es blieben noch mehrere Stunden bis zum Ausbruch, wie das Unternehmen genannt wurde; Hoffman nutzte diese Zeit und kontaktierte die anderen, die im Bezirk untergebracht waren.
Blakely und Cunningham entschlossen sich für ein vorläufiges Dekor, das Farbe und Form ins Apartment brachte und den Wohnraum optisch beträchtlich vergrößerte. Hoffman schloß sich ihnen an, als sie die Einrichtung ausprobierten und das Essen kosteten, das ein vollautomatischer Küchenblock in einer Ecke lieferte.
Alle Bewohner, ob Stadt- oder Erdenbürger, könnten den Ausbruch in allen Einzelheiten verfolgen, teilte der Geist mit. Monitore, die auf die ganze Thistledown verteilt seien, würden hochwertiges Bildmaterial liefern; jedermann habe gewissermaßen einen Logenplatz.
Nachdem die drei Frauen gegessen und mit den Einrichtungen herumgespielt hatten, schauten sie sich die ständige Übertragung der Vorgänge im Stein und in den Siedlungen an.
Die Bilder waren fast zu real. Nach wenigen Minuten wandte Cunningham sich ab und fing unkontrolliert zu kichern an. »Ist ja lächerlich«, sagte sie, hielt sich die Backen und ließ sich auf den scheinbar orientalischen Teppich zurückplumpsen. »Schrecklich«, sagte Blakely, die sich als nächste anstecken ließ.
»Wir sind ja hysterisch«, sagte sie, und das entlockte den beiden neue Lachanfälle. »Wir haben keine Ahnung, was da gespielt wird.«
»Ich schon«, erwiderte Hoffman, die sich ausgeschlossen fühlte.
»Was?« fragte Cunningham und versuchte, ernst zu bleiben.
Hoffman bildete mit der Hand einen Zylinder und blickte durch ihn hindurch auf die beiden. »Sie sprengen ein Ende ab – das nicht aufgebohrte Ende, den Nordpol.«
»Du meine Güte«, sagte Cunningham, die damit plötzlich zu kichern aufhörte. »Was wäre passiert, wenn wir versucht hätten, da reinzubohren? Wo hätte die Bohrung aufgehört?«
»Sie sprengen den Nordpol ab«, wiederholte Hoffman, ohne auf die nicht zu beantwortende Frage einzugehen, »und trennen den Stein vom Korridor. Danach…«
»Was?« fragte Ann, deren Lachanfall sich ebenfalls schlagartig gelegt hatte.
»… verläßt dieser Sektor der Stadt den Korridor. Wir werden eine Raumstation.«
»Und der Stein?« wollte Cunningham wissen.
»Ein zweiter Mond.«
»Und wir kehren zur Erde zurück?« fragte Blakely.
Hoffman nickte.
»Verdammt«, meinte Blakely. »Es ist… was weiß ich? Es ist wie ein Märchen.«
Hoffman seufzte tief. »Ganz recht«, meinte sie. »Ein Märchen.« Dann brach sie plötzlich in heftiges Gelächter aus, bis ihr der Bauch wehtat und ihr Gesicht naß vor Tränen war.
Eine Stunde vor dem geplanten Ausbruch piktographierte Corprep Rosen Gardner eine persönliche Nachricht an Hoffman und bat darum, sie besuchen zu dürfen. Wenige Minuten später erschien er leibhaftig – »inkorporiert«, wie Hoffman inzwischen wußte – an der Apartmenttür. Sie bat ihn herein. Mittlerweile hatten sie alle zumindest nach
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