Aerger im Bellona-Club
haben Sie das gefunden?«
»In der Bibliothek vom Bellona-Club, Sir. In den Löschblock hineingeschoben.«
»Die Schrift ist sehr schwach und zittrig.«
»Ja – und verflacht dann so. Als wenn er einen Schwächeanfall bekommen hätte, so daß er nicht mehr weiterschreiben konnte. Oder vielleicht war er auch nur müde. Ich muß noch einmal hin und fragen, ob ihn an dem Abend jemand dort gesehen hat. Aber Oliver – hol ihn der Kuckuck! – Oliver ist der Mann, der es wissen muß. Wenn ich doch nur an diesen Oliver herankäme!«
»Auf unsere dritte Frage in der Annonce hat sich noch niemand gemeldet. Ich habe mehrere Zuschriften von Taxifahrern bekommen, die an dem Morgen alte Herren zum Bellona-Club gefahren haben, aber deren Beschreibungen passen alle nicht auf den General. Die einen hatten karierte Mäntel an, andere hatten Backenbärte, manche hatten Melonen auf oder trugen Vollbart – dabei hat man doch den General noch nie ohne seinen Seidenhut und den altmodischen langen Militär-Schnurrbart gesehen.«
»Ich hatte mir davon auch nicht viel versprochen. Wir könnten noch eine Annonce aufgeben, falls jemand ihn am Abend des Zehnten vom Bellona-Club abgeholt hat, aber ich habe das dumme Gefühl, daß dieser niederträchtige Mr. Oliver ihn im eigenen Wagen abgeholt hat. Wenn alle Stricke reißen, müssen wir Scotland Yard auf Oliver ansetzen.«
»Erkundigen Sie sich mal vorsichtig im Club, Lord Peter. Es wird jetzt immer wahrscheinlicher, daß jemand diesen Oliver dort gesehen und beobachtet hat, wie die beiden zusammen fortgingen.«
»Natürlich. Ich gehe sofort hin. Und eine Annonce gebe ich auch noch auf. Den Rundfunk sollten wir vielleicht nicht einschalten. Der ist so scheußlich öffentlich.«
»Und das«, sagte Mr. Murbles mit allen Anzeichen des Entsetzens, »wäre ausgesprochen unerwünscht.«
Wimsey verabschiedete sich, aber der Anwalt hielt ihn an der Tür zurück.
»Noch etwas sollten wir in Erfahrung zu bringen versuchen«, sagte er, »nämlich, was der General zu George gesagt hat.«
»Das habe ich nicht vergessen«, meinte Wimsey mit leichtem Unbehagen. »Wir werden – o ja – gewiß – natürlich – das müssen wir in Erfahrung bringen.«
9
Der Bube steht hoch
»Hören Sie mal, Wimsey«, sagte Hauptmann Culyer vom Bellona-Club, »werden Sie denn nun nie mehr mit Ihren Nachforschungen, oder was das sonst ist, fertig? Die Mitglieder beschweren sich schon, wirklich, und ich kann es ihnen nicht verdenken. Man findet Ihre unablässige Fragerei unerträglich, mein Lieber, und ich kann nicht verhindern, daß man allmählich mehr dahinter vermutet. Man beschwert sich darüber, daß man kaum noch die Bediensteten und die Kellner in Anspruch nehmen kann, weil Sie andauernd ein Schwätzchen mit ihnen halten, und wenn nicht, dann lungern Sie an der Bar herum und spitzen die Ohren. Wenn das Ihre Art ist, Nachforschungen taktvoll zu betreiben, wäre es mir lieber, Sie versuchten es einmal taktlos. Mit der Zeit wird das ausgesprochen lästig. Und sowie Sie aufhören, fängt dieser andere damit an.«
»Welcher andere?«
»Dieser unangenehme kleine Leisetreter, der immerzu am Dienstboteneingang aufkreuzt und das Personal ausfragt.«
»Von dem weiß ich nichts«, erwiderte Wimsey. »Ich habe auch noch nie etwas von ihm gehört. Tut mir leid, wenn ich mich unbeliebt mache, obwohl ich schwören möchte, daß ich in der Beziehung auch nicht schlimmer bin als so manches Musterexemplar hier, aber ich bin einfach an einen Haken geraten. Diese Geschichte – ganz unter uns gesagt, alter Freund – ist nicht ganz so astrein, wie sie auf den ersten Blick aussieht. Dieser Oliver, von dem ich schon einmal gesprochen habe «
»Den kennt man hier nicht, Wimsey.«
»Das nicht, aber er könnte hier gewesen sein.«
»Wenn ihn keiner gesehen hat, kann er nicht hier gewesen sein.««
»Nun, wohin ist General Fentiman dann gegangen, als er von hier wegging? Und wann ist er gegangen? Genau das möchte ich wissen. Menschenskind, Culyer, der alte Knabe war doch nicht zu übersehen. Wir wissen, daß er am Abend des 10. November hierher zurückgekommen ist – der Taxifahrer hat ihn zur Tür gebracht, Rogers hat ihn hereinkommen sehen, und zwei Mitglieder haben ihn kurz vor sieben im Rauchsalon gesehen. Ich habe gewisse Beweise dafür, daß er in die Bibliothek gegangen ist. Und lange kann er nicht geblieben sein, denn er hatte seinen Mantel gleich anbehalten. Jemand muß ihn weggehen gesehen haben. Das ist doch
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