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Aerger im Bellona-Club

Aerger im Bellona-Club

Titel: Aerger im Bellona-Club Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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kräftig gebaut, bewegte sich aber mit einer Trägheit, die einen entmutigenden Anblick bot – krumm und mit einer geradezu aggressiven Reizlosigkeit.
    »Sie wollen das Atelier sehen?«
    »Ja, bitte.«
    Sie führte ihn die sechs Stufen hinunter und über einen kleinen Gang in das Zimmer, von dem Parker bereits wußte, daß es nach hinten hinaus über der Küche lag. Im Gehen berechnete er stumm die Entfernung.
    Das Atelier war groß und durch sein Glasdach gut beleuchtet. Die eine Seite war wie ein Wohnzimmer eingerichtet; die andere diente der »Fummelei«, wie Nellie es ausdrückte. Ein (in Parkers Augen) sehr häßliches Bild stand auf einer Staffelei. An den Wänden lehnten weitere Bilder. In einer Ecke stand ein mit einem Wachstuch bedeckter Tisch mit einem Gaskocher darauf, den eine Blechplatte abdeckte, und einem Bunsenbrenner.
    »Ich suche mal schnell die Adresse heraus«, sagte Miss Dorland gleichgültig. »Sie muß hier irgendwo sein.«
    Das häßliche Bild auf der Staffelei war frisch gemalt; der Geruch sagte ihm das, und die Farbkleckse auf der Palette waren noch weich und klebrig. Er war überzeugt, daß hier in den letzten beiden Tagen noch gearbeitet worden war. Die Pinsel standen wahllos in einem Döschen Terpentin. Er nahm sie heraus; sie waren noch von Farbe verklebt. Das Bild selbst stellte seiner Ansicht nach eine Landschaft dar, grob gezeichnet und grell und unruhig in den Farben. Parker verstand nichts von Kunst; er hätte gern Wimseys Meinung gehört. Er forschte weiter. Der Tisch mit dem Bunsenbrenner war leergeräumt, aber in einem Schrank daneben entdeckte er etliche Apparaturen, wie er sie aus dem Chemieunterricht in der Schule kannte. Alles war ordentlich gesäubert und eingeräumt. Vermutlich Nellies Arbeit. In Gläsern und Schachteln, die auf einem Regal standen, fanden sich einige bekannte und einfache chemische Substanzen. Wahrscheinlich würde man sie analysieren müssen, dachte er, um zu sehen, ob sie wirklich waren, was sie vorgaben. So ein nutzloser Unsinn, dachte er bei sich; alles Verdächtige würde sie doch schon vor Wochen vernichtet haben. Aber so war das nun mal. Ein mehrbändiges Werk auf dem obersten Regal erregte seine Aufmerksamkeit: Quains Lexikon der Medizin. Er nahm einen Band herunter, in dem er ein Lesezeichen hatte stecken sehen. Als er es an der betreffenden Stelle aufschlug, fiel sein Blick auf das Wort » Rigor mortis « und wenig weiter auf »Wirkung bestimmter Gifte«. Er wollte gerade mehr darüber lesen, als er hinter sich Miss Dorlands Stimme hörte.
    »Das ist alles nichts«, sagte sie. »So was mache ich nicht mehr. Es war nur ein vorübergehender Fimmel. Eigentlich male ich. Was halten Sie hiervon?« Sie zeigte auf die unerfreuliche Landschaft.
    Parker sagte, das Bild sei sehr gut. »Sind das nicht auch Ihre Werke?« fragte er, indem er auf die übrigen Bilder zeigte.
    »Doch«, sagte sie.
    Er drehte einige von ihnen ins Licht und bemerkte dabei, wie staubig sie waren. Um diese Arbeit hatte Nellie sich offenbar gedrückt – oder sie hatte die Anweisung, die Finger davon zu lassen. Miss Dorland wirkte, während sie ihm die Bilder zeigte, etwas lebendiger als bis dahin. Landschaften schienen ein ziemlich neues Thema für sie zu sein; die meisten Bilder waren Porträtstudien. Mr. Parker fand, daß die Künstlerin im großen und ganzen gut daran getan hatte, auf Landschaften umzusatteln. Er war mit den neuen Schulen der Malerei nicht vertraut und hatte Schwierigkeiten, seine Meinung über diese merkwürdigen Figuren mit Gesichtern gleich Eiern und Gliedern wie aus Gummi auszudrücken.
    »Das ist Das Urteil des Paris«, sagte Miss Dorland.
    »Aha«, sagte Parker. »Und das?«
    »Ach, nur eine Studie von einer Frau beim Ankleiden. Nicht sehr gut. Aber dieses Porträt von Mrs. Mitcham finde ich ganz gelungen.«
    Parker riß entsetzt die Augen auf. Möglicherweise sollte das Bild Mrs. Mitchams Charakter symbolisieren, denn es war sehr hart und spitz; aber mit der dreieckigen Nase, die wie ein scharfkantiger Holzkeil im Gesicht steckte, und den die Augen darstellenden Klecksen über gelbbraunen, gedunsenen Wangen sah es mehr nach einer Holländerpuppe aus.
    »Es sieht ihr nicht sehr ähnlich«, meinte er unsicher.
    »Soll es auch nicht.«
    »Das hier scheint besser zu sein – ich meine, mir gefällt es besser«, sagte Parker, indem er rasch das nächste Bild umdrehte.
    »Ach, das ist nichts weiter – nur ein Phantasiekopf.«
    Offenbar verachtete sie dieses

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