Aerzte zum verlieben Band 48
waren dunkel wie Ebenholz. „Du kannst immer noch zurück, niemand würde es dir übel nehmen. Nicht jeder hält es hier aus.“
Alice erhob sich und klopfte sich den Sand von der Hose. „Doch, das schaffe ich. Jetzt bin ich hier, und ich bleibe hier.“ Das klang schärfer als beabsichtigt, und sie lächelte schwach. „Wir Granvilles geben nicht so leicht auf.“
Der Ausdruck in seinen Augen wurde weicher. „Gut. Wir brauchen dich hier.“
Ein warmes Gefühl durchrieselte sie, und ihr Herz schlug schneller. Aber sie wollte sich nichts anmerken lassen. „So, ich muss mir den Staub abwaschen“, meinte sie. „Linda hat vergessen, mir zu sagen, wo die Duschen sind.“
Dante grinste. „Es gibt keine. Man kann in dem kleinen See baden, wo die Frauen ihre Wäsche waschen. Ist das mal nicht möglich, bleibt nur der Wassereimer. Gieß ihn dir über den Kopf, oder nimm einen Waschlappen. So sieht es aus.“
Bestürzt sah sie ihn an. Sie hatte sich so sehr auf eine Dusche gefreut. Ohne sich zu waschen, konnte sie doch nicht ins Bett gehen.
„Ich hole dir Wasser, wenn du magst“, bot Dante an. „Am Feuer steht immer etwas warmes Wasser bereit.“
„Zeig mir nur die Richtung, dann hole ich es mir selbst.“ Alice wollte auf keinen Fall eine Sonderbehandlung.
Dante legte ihr den Zeigefinger unters Kinn und zwang sie somit, ihm in die Augen zu sehen. „Du hast hart gearbeitet, so wie die anderen auch. Und vorher die lange Reise. Ich bringe dir das Wasser, okay?“
Ihr Hals war wie zugeschnürt. Mit seiner distanzierten Art konnte sie besser umgehen, als wenn er so fürsorglich war. Dante streckte die Hand aus, und sie nahm sie. Seine Hand war warm und tröstend, besonders da es mit Anbruch der Dunkelheit plötzlich kalt geworden war. Dante legte ihr den Arm um die Schultern, und gemeinsam machten sie sich auf den Rückweg zum Lager.
„Ich stelle es draußen hin, cara “, sagte er, als sie ihr Zelt erreicht hatten. „ Buonanotte .“
Während sie müde ins Zelt taumelte, spürte Alice, dass Dante ihr nachsah. Es war, als beschütze er sie mit seinem Blick.
Am nächsten Morgen, nach einer so gut wie schlaflosen Nacht, war Alice schon vor Sonnenaufgang aufgestanden, aber im Lager herrschte bereits reges Leben. Es roch nach Essen. Alle Mitarbeiter aßen zusammen in einem Zelt, das ihnen allein vorbehalten war. Es gab entweder dünnen Haferbrei oder Toast, dazu Kaffee oder Tee.
Sie hatte gehofft, Dante vor der Arbeit zu sehen, wurde aber enttäuscht. Als sie das Zelt erreichte, sah sie ihn nur noch von hinten, als er in Richtung des Kinderzeltes verschwand. Nach dem Frühstück bat Linda sie, sich wieder beim Registrieren nützlich zu machen.
Schon bald trafen die ersten Flüchtlinge ein. Müde, niedergeschlagen, viele von ihnen waren krank. Unter ihnen Kinder, die ihre Eltern verloren hatten, und andere mit vom Hunger geschwollenen Bäuchen. Wie am Tag zuvor notierte Alice alles Notwendige, verteilte die Ausstattung und brachte die Neuankömmlinge zur Ambulanz, wo sie geimpft wurden. Danach begleitete sie sie zu einem der anderen Entwicklungshelfer, der für sie einen Platz suchte, wo sie ihre provisorische Behausung aufbauen konnten. Anschließend kehrte Alice zurück, und alles begann von vorn.
Gegen Mittag, wieder einmal auf dem Rückweg zur Registratur, rief Linda sie zu sich. Inzwischen duzte sie sich mit ihr und den anderen Mitarbeitern. „Kannst du zum Kinderzelt gehen und Dante bitten herzukommen, sobald er einen Moment Zeit hat? Es ist kein Notfall, aber ich habe hier eine Patientin, die er sich ansehen sollte.“
Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch ging Alice los. Das Leid der Kinder machte ihr am meisten zu schaffen.
Als sie das Zelt betrat, herrschte drinnen eine fast gespenstische Stille. Babys lagen da und starrten reglos gegen die Zeltdecke, andere standen in ihren Bettchen und betrachteten stumm, was um sie herum vorging. Die meisten Kinder hatten ihre Mutter bei sich, manche wurden gestillt, andere einfach im Arm gehalten, während die Mutter ihnen leise etwas vorsang oder ihnen etwas zuflüsterte.
Ein paar Kinder waren allein. Niemand kümmerte sich um sie.
Dante stand über ein Bettchen gebeugt. Es war das von der kleinen Samah, Hassans Schwester.
Als er Alice bemerkte, richtete er sich auf und kam zu ihr. „Hallo. Willst du mir helfen?“
Ihr Herz schlug schneller, aber diesmal nicht, weil Dante so dicht vor ihr stand. „Ich …“ Wie sollte sie es ihm erklären? Sie ertrug
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