Aerzte zum Verlieben Band 58
keinen Bissen runter. Aber zu einem Becher Tee mit zwei Kilo Zucker sage ich nicht Nein.“
„So schlimm ist es?“ Mitfühlend streichelte sie seine Wange. „Erzähl mir, was passiert ist.“
„Es ist eine ziemlich lange und verzwickte Geschichte“, warnte er sie.
„Ich habe Zeit. Und du kannst mir vertrauen, ich werde es nicht weitererzählen.“
Das wusste er. Ja, er vertraute Jane wie kaum einem anderen Menschen. Also ließ er sich von ihr in die Küche führen und auf einen Stuhl neben dem Esstisch drücken. Als Jane den Wasserkessel aufgesetzt hatte und wieder zu ihm herüberkam, zog er sie zu sich auf den Schoß. Es tat so gut, sie einfach nur zu spüren.
„Was ist denn passiert?“, fragte sie sanft.
Er seufzte müde. „Du weißt ja, dass Frances meine Stiefmutter ist. Meine leibliche Mutter hat Dad wegen eines anderen Manns verlassen, als ich vier war und George sechs. Ohne ein Wort des Abschieds. Keiner von uns hat je wieder von ihr gehört.“
Die Tatsache, dass ihre Mutter sie nicht gewollt hatte, war sicher mit ein Grund für Georges Weigerung, sein wildes Leben aufzugeben und eine eigene Familie zu gründen. Sein Bruder wollte nicht riskieren, noch einmal verlassen zu werden.
Er war mit Camilla durch dieselbe Hölle gegangen. Vielleicht sogar noch durch eine schlimmere: Um die Geister der Vergangenheit zu vertreiben, hatte er es gewagt, sich auf eine Beziehung einzulassen, hatte sich eine eigene Familie gewünscht. Und war kläglich gescheitert, verraten worden. Das hatte den alten Schmerz in ihm wieder zum Leben erweckt, einen Schmerz, den er nur verdrängt, aber nicht bewältigt hatte.
„Ach, Ed. Wie konnte sie nur …“ Jane war tief betroffen. „Unvorstellbar, die eigenen Kinder im Stich zu lassen. Wie hat sie das bloß fertiggebracht?“
„Vermutlich, weil sie selbst ziemlich kaputt war. Dads Liebe hat ihr nicht gereicht. Ihre Kinder haben ihr nicht gereicht. Und all die Männer, all die vielen Flirts haben ihre innere Leere auch nicht ausfüllen können. Manchmal denke ich, vielleicht hat sie es getan – uns verlassen –, weil sie uns wirklich geliebt hat. Weil sie wusste, dass Dad uns geben konnte, was wir brauchten: Liebe, eine behütete Kindheit. Dass sie sich ferngehalten hat, um nicht wieder alles kaputt zu machen.“ Und jetzt kam der Knaller. „George glaubt, dass Dad nicht sein leiblicher Vater ist.“
Jane schnappte erschrocken nach Luft. „Wie kommt er denn darauf?“
„Unsere Mutter ist Anfang des Jahres gestorben. Ihr Anwalt hat George ihre Tagebücher und einige persönliche Briefe von früher ausgehändigt. Nachdem er alles gelesen hatte, kam er zu dem Schluss.“
„Ist es möglich, dass er recht hat?“
Ed schüttelte düster den Kopf. „Ich weiß es nicht. Zumindest kenne ich jetzt den Grund für seine Unruhe in den letzten Monaten. Wahrscheinlich kam es so auch zu diesem Unfall. Er war abgelenkt, in seine Gedanken versunken, und hat nicht aufgepasst.“
„Armer George. Wenigstens hat er dich.“
„Das habe ich ihm auch gesagt.“ Ernst fuhr er fort: „Die einzige Möglichkeit, Gewissheit zu erlangen, ist ein DNA-Test. Wir werden es Dad am Wochenende sagen, und nehmen die Proben gleich vor Ort.“
„Wie kann ich euch helfen?“
Er hatte gewusst, dass Jane das sagen würde. Gerührt drückte er sie an sich. „Gar nicht. Trotzdem danke.“
„Ich bin jedenfalls da, falls du mich brauchst.“ Sie küsste ihn auf die Wange. „Sag einfach, wenn ich irgendwas tun kann, okay? Wenn du möchtest, kann ich dich am Wochenende auch zu deiner Familie begleiten. Obwohl es den anderen vielleicht nicht recht ist. Das ist ja schließlich eine ziemlich delikate Angelegenheit.“
„Ich danke dir.“ Ed lächelte müde. „Ehrlich gesagt hab ich keinen Schimmer, was sich daraus noch entwickeln kann. Wenn der Test Dads Vaterschaft bestätigt, ist das Problem gelöst, und wir können alle erleichtert aufatmen. Falls aber nicht … Gar nicht auszudenken, wie die Medien das ausschlachten werden, wenn sie davon Wind bekommen.“
Er hielt kurz inne, sagte dann, mit sichtlicher Anstrengung: „Bestimmt werden sie auch dich da mit reinziehen und dir alles Mögliche andichten. Falls du unsere Beziehung also lieber beenden möchtest, kann ich das verstehen.“
„Nein, das möchte ich nicht. Ich bin nicht Camilla.“ Jane hielt seinem Blick stand. „Und du bist nicht Shaun.“
Camilla hätte die Sache vermutlich bis zum Ergebnis des DNA-Tests ausgesessen,
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