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Aerztekind

Aerztekind

Titel: Aerztekind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Wittmann
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der verschiedensten Exponate, gleich einer Zeitreise durch die Geschichte der Pharmaindustrie. Ein inzwischen in die Jahre gekommener Becher mit einem verwaschenen grünen Männchen wird von dem Slogan geziert: »Befreit die Bronchien, erleichtert das Abhusten.« Direkt daneben steht ein Henkelbecher, der hat schon ewig einen Sprung, aber wir können uns nicht von ihm trennen. »Ein starker Typ« steht darauf (sogar ohne Markenbezeichnung), und es ist Papas Lieblingskaffeepott.
    Vor dem Geschirrschrank liegt ein Block, auf dem so groß das Logo von Viagra gedruckt ist, dass man kaum Platz zum Schreiben hat. Daneben findet sich ein dreißig Zentimeter langer Bleistift mit dem Aufdruck: »Katadolon S long 100. Hält länger.« Egal, wie oft wir damit schreiben, egal, wie oft wir ihn anspitzen – der Bleistift wird und wird nicht kürzer. Und wird deswegen wohl auch niemals die Wohnung meiner Eltern verlassen, es sei denn, er geht kaputt, wie der heißgeliebte Becher mit dem Aufdruck »Luftkurort Wangen im Allgäu 1992. Atmen Sie durch mit Gelomyrtol«. Als der zu lecken begann, hat ihn meine Mutter nur schweren Herzens entsorgt.
    Ich habe mir in meinem ganzen Leben noch nie einen Post-it-Block gekauft. Und keine Kugelschreiber. Auch Regenschirme muss ich nicht selbst erwerben, die gibt es bei uns in Hülle und Fülle, sofern man sich nicht zu schade dafür ist, als lebende Litfaßsäule einen Werbeslogan von GlaxoSmithKline durch die Gegend zu tragen. Aus meiner Schulzeit gibt es massenhaft Bilder von Sommerfesten und Bundesjugendspielen, auf denen ich in meinem grünen Lieblings-T-Shirt mit der schmissigen Aufschrift »Ich mach schlapp« posiere, den Daumen freudig in die Höhe gereckt. Schlüsselanhänger, Mousepads, Bilderrahmen, Kalender – es gab nichts, was uns die Pharmaindustrie nicht fröhlich lächelnd in den Rachen gestopft hätte, um meinen Vater, der sich von derlei Krimskrams ohnehin niemals beeindrucken und schon gar nicht beeinflussen ließ, bei der Verordnung liebevoll in die richtige Richtung zu schubsen.
    Dass aber selbst unser Haustier gesponsert wurde, damit hätte ich wirklich nicht gerechnet.
    Als meine Eltern einmal in die Schweiz fuhren, um sich die Produktionsstätten eines dort ansässigen Pharmaunternehmens anzusehen, kamen sie doch tatsächlich mit einem Hund zurück. Der stammte aus dem Labor und war ein bisschen anders als andere Hunde, wohl weil er die ersten vierzehn Monate seines bemitleidenswerten Daseins ausschließlich in seinem Zwinger, auf einem OP -Tisch oder in Untersuchungsräumen verbracht hatte. Mein Vater erzählte uns, er habe den Hund unter Einsatz seines Lebens aus dem Zwinger befreit. Heimlich. In einer Nacht- und Nebel-Aktion. Mit Nachtsichtgerät und Pfefferspray im Anschlag. Später erfuhr ich, dass der Hund meinen Eltern angeboten worden war. »Ansonsten müssten wir ihn einschläfern«, hatte der betreuende Laborassistent trocken bemerkt.
    Weil meine Mutter von dem schrecklichen Schicksal der Beagle-Dame besonders gerührt war und vor Mitleid beinahe verging, wenn sie sie sah, sagte sie ständig: »Mein Mädchen, ach, du liebes Mädchen.« Der Hund war nämlich wirklich sehr lieb. Und demutsvoll. Und irgendwie ergab sich aus dem Geseufze meiner Mutter der Name »Medi«. Ja, ja, ich weiß, was jetzt kommt! Aber nein! Medi kommt ganz allein und hundertprozentig von »Mädchen« und nicht von »Medizin« oder »Medikament«.
    Eines Abends, wir standen um das Hundekörbchen geschart, senkte mein Vater die Stimme. »Wisst ihr, dass Medi eigentlich Madonna heißt?« Überrascht hörten unsere Kinderhände einen Moment lang auf, Medi zu streicheln. Dass die Laborratten (die menschlichen) unserem Hündchen einen Namen gegeben hatten, war an und für sich doch nett. Aber wie Madonna sah Medi nun wirklich nicht aus.
    »Ihr wisst, wer die Madonna ist?«
    »Ja!«, platzte ich hervor. »Eine Sängerin!«
    »Auch«, sagte mein Vater milde. »Vor allem ist sie aber die Mutter von Jesus. Kennt ihr den?«
    Meine Schwestern und ich sahen uns an. Mehr oder weniger ratlos.
    »Also Jesus, das ist der Sohn von Maria«, erklärte Papa.
    »Aber ist Jesus nicht der Sohn von Gott?«, fragte ich. Wenn ich auch die meiste Zeit meines trüben Daseins als Mitglied der Eichhörnchengruppe im katholischen Kindergarten wie ein einsamer Wolf durch den Kindergartengarten gestreift war, so viel immerhin hatte ich mitbekommen.
    »Stimmt.« Papa nickte.
    »Dann iß die Maria mit dem Gott

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