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Aerztekind

Aerztekind

Titel: Aerztekind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Wittmann
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hinein, aus dem ein paar blonde, blutverkrustete Haarbüschel herausguckten.
    »Du müsstest mir mal assistieren«, sagte mein Vater und nickte mit dem Kopf in Richtung Waschbecken. »Mach dich mal sauber.«
    Irritiert, aber nicht abgeneigt, wusch ich mir die Hände und legte mir den Mundschutz um, den mein Vater neben dem Waschbecken bereitgelegt hatte. Ich spritzte ein paar Tropfen ätzend riechendes Desinfektionsmittel in meine Handflächen, streifte ein paar Einmalhandschuhe über und trat an die Liege.
    »Pass mal auf«, erklärte der Onkel Doktor, »wir nehmen jetzt gleich die Kompresse weg, und dann musst du die Wunde zusammenhalten, während ich nähe. Kriegst du das hin?«
    »Klar«, nuschelte ich hinter dem Mundschutz.
    Wunde zusammenhalten, meine einfachste Übung, ich bin schließlich Arzttochter, das liegt mir im Blut. Dachte ich.
    Ich hätte es besser wissen müssen.
    Der Mann auf der Liege nahm die »Kompresse«, also sein mittlerweile vollkommen blutgetränktes Stofftaschentuch, vom Auge. Sofort fing der Saft des Lebens aus der aufgeplatzten Augenbraue lustig zu sprudeln an und troff ihm ins Auge.
    »Huch«, sagte mein Vater. »Herr Maier, wird’s gehen?«
    »Na klar«, nuschelte Herr Maier mit tiefenentspanntem Grinsen. Entweder hatte ihm mein Vater eine volle Ladung Beruhigungs- und Schmerzmittel gegeben, oder das Adrenalin pumpte noch mit Karacho durch seinen Körper und verzerrte ihm anständig die Realität.
    Mein Vater sah mich an. »Caro, jetzt halt das mal zusammen.«
    In Ermangelung einer besseren Idee und Anweisung packte ich zu. Ich ergriff beherzt die Augenbraue, die von einem mindestens fünf Zentimeter großen Riss geschmückt wurde, und drückte die beiden fleischigen Hälften zusammen. Das Blut hörte nicht auf zu strömen. Mein Vater zückte Nadel und Faden und kam auf mich (zitternd) und Herrn Maier (grinsend) zu.
    »Und schon kann’s losgehen!«, rief der Herr Doktor freudig und begann mit der Renovierungsarbeit.
    Als ich sah, wie er den langen Haken in das Wundfleisch drückte, wurde mir endgültig mulmig. Mit handwerklichem Geschick, das das tapfere Schneiderlein vor Neid hätte erblassen lassen, fädelte mein Vater den dicken, schwarzen Faden ein und zog ihn durchs erste Fleischloch.
    Mein Magen drehte sich schon mal um, der hatte wohl keine Lust mehr zuzugucken.
    Mein Vater hakte die Nadel in den gegenüberliegenden Fleischfetzen ein.
    Ich konnte ein leises Aufstoßen nicht unterdrücken.
    »Na, na, na«, sagte mein Vater und sah zu mir hoch. »Nicht auf den Herrn Maier brechen, wenn’s geht.«
    Ich lächelte gequält und nahm mir vor, wegzusehen, konnte aber den Blick nicht von der wulstigen Wunde wenden, aus der das Blut immer noch munter herausquoll.
    »Caro, du musst das schon richtig zusammenhalten«, rief mein Vater nun ungehalten, »sonst nähe ich den Herrn Maier schief zusammen, und das wär doch nicht schön.«
    Herr Maier grunzte, meine Hand begann zu zittern.
    »Ich glaub, ich brauch ’ne Pause, Papa.« Ich keuchte mehr, als dass ich sprach.
    Mein Vater stöhnte. »Meine Güte! Was seid ihr nur für Sensibelchen! Meinst du, du kannst noch neun Stiche aushalten, oder müssen wir abbrechen?«
    »Ab-bre-chen«, kam es von einem Würgen unterbrochen aus mir heraus, während die Hautlappen von Herrn Maiers Augenbraue unter meinen Fingern hin und her rutschten.
    Eigentlich meinte ich »erbrechen«.
    Mit etwas Fantasie hätte ich mir das Ganze wie das Rouladenbinden meiner Mutter vorstellen können. Nur mit etwas mehr Blut und etwas mehr Herrn Maier. Aber anscheinend wollte sich meine Einbildungskraft in dieser heiklen Situation lieber nicht einmischen.
    »Na gut, was soll’s. Dann geh ins Wartezimmer, und leg dich da auf den Boden. Beine hoch. Kann ich ja nicht ahnen, dass meine Töchter solche Waschlappen sind. Von mir haben sie das nicht!«, sagte mein Vater entschuldigend in Herrn Maiers Richtung.
    Der grunzte wieder und nickte verständnisvoll mit dem Kopf. »Soll ich halten?«
    Mein Vater winkte ab. »Ne, erst mal nicht. Ich hab noch mehr Töchter. Caro, rufst du mir mal Jule runter?«
    Mit zitternden Beinen wankte ich zur Sprechanlange und rief mit dünner Stimme in die Wohnung über uns. Kurz darauf hörte ich polternde Schritte auf der Treppe. Mission accomplished , ich verkroch mich ins Wartezimmer.
    Dort saß ein Mann. Das war an sich nichts Ungewöhnliches, denn bevor die Notfalldienstzentrale in unserer Stadt eingerichtet wurde, hatten Ärzte mit

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