Aerztekind
dich, so bleibt es wenigstens in der Familie. Denn SO kann das ja wirklich nicht bleiben.«
Sprach’s und gab ihm einen kleinen Schubs.
Janek, geschockt und gleichzeitig unfähig, sich über die familiäre Übermacht zu wehren, trottete mit hängendem Kopf aus der Küche wie ein friedfertiges Lämmchen zur Schlachtbank. Eine halbe Minute später kamen Arzt und Patient zurück an den Tisch.
»Eindeutig: Der Zipfel muss ab. Ein viel zu enges Präputium. Als behandelnder Arzt schlage ich eine Zirkumzision vor.«
»Papa – geht das auch in Deutsch?«, fragte Juliane naturwissenschaftlich interessiert und schmierte sich eine große Ladung Nutella auf ihr Croissant.
Mein Vater stöhnte auf und streckte, geschlagen von so wenig humanistischer Bildung, die Hände gen Himmel. »Wenn doch nur einer von euch Latein beherrschte!«, fluchte er in grammatikalisch einwandfreiem Konjunktiv II und ließ sich dann von seinem Palast der Weisheit zu uns hernieder. »Präputium, griechisch pósthe , bezeichnet die Haut am Penis, die hinter die Eichel zurückgezogen werden kann. Zirkumzision, von lateinisch circumcidere , das heißt ringsherum abschneiden, ist die teilweise oder vollständige Entfernung der männlichen Vorhaut. Schnipp, schnapp, Polackenzipfel ab.«
Stolz und lächelnd sah mein Vater in die Runde. In diesem Moment fiel Janek beinahe in Ohnmacht. Mit weiß hervortretenden Knöcheln krallte er sich an der Tischplatte fest.
»Oh«, war alles, was meine Schwester dazu beizutragen hatte. Die restlichen Anwesenden hielten allesamt die Klappe, um keine Szene in diesem fantastischen Schauspiel zu verpassen.
Da plötzlich schien Juliane etwas einzufallen. »Wie lange werden wir dann keinen Sex haben können?«
Janek stöhnte auf. Meine Mutter schenkte ihm mitfühlend eine weitere Tasse Kaffee ein.
»Na ja, nicht lange. Sechs bis acht Wochen? Aber danach wird es besser, glaub mir.«
Jetzt war es an meiner Schwester, fast die Augen aus dem Kopf fallen zu lassen. »Sechs Wochen? Vergiss es!«
Mein Vater schmunzelte. »Bei guter Pflege kannst du es schon wieder probieren, wenn die Fäden gezogen wurden.«
Janeks Gesichtsfarbe wechselte von aschfahl zu gipsweiß.
»Werden Sie die Be…, Beschnei…, ich, äh, ich meine Behandlung selbst durchführen?!«
»Nein, nein«, winkte mein Vater ab. »Das sollte ein Phimoseningenieur machen. Also ein Chirurg. Jemand, der sich mit den Zipfeln auskennt. Und jetzt lassen wir mal das alberne Sie, immerhin habe ich gerade deinen Zipfel gesehen. Ich bin der Fritz.«
Und dann lachte er wieder, und Janek schwieg, während meine Mutter von den Vorzügen beschnittener Penisse schwärmte (»Die können viel länger!«), meinem Vater bewundernde Blicke zuwarf und Juliane hingebungsvoll die Spitze ihres Croissants abbiss.
9. Zipfeltreffen
Drei Wochen später saßen wir in ähnlicher Konstellation wieder am Frühstückstisch zusammen. Janek hatte seine Beschneidung erfolgreich hinter sich gebracht, und nun wollte das geneigte Publikum die Erfolge der harten Arbeit einfahren. Wir lechzten nach einer blutrünstigen Story.
»Nun, Janek, erzähl doch mal«, begann mein Vater unvermittelt die Unterhaltung, »wie war’s bei der Zirkumzision?«
»Öhm, ja«, stammelte Janek, sichtlich nervös ob der plötzlichen Aufmerksamkeit. Die Blicke ruhten auf ihm. Vorsichtig begann er zu erzählen.
»Also ehrlich gesagt … ziemlich furchtbar.«
Meine Mutter nickte verständnisvoll und bot Janek ein Würstchen an. Mit zusammengekniffenen Augen lehnte er ab. Die Wurstplatte ging an meinen Vater weiter, der sich einen halben Ring Gelbwurst auf den Teller legte und genüsslich damit begann, die Haut abzuziehen.
»Wieso? Was war? Das bisschen Vorhaut! Komm, sei ein Mann!«
»Na ja, also ich … ich kam in das Behandlungszimmer«, stotterte Janek, ohne die Wurst in den Händen meines Vaters aus den Augen zu lassen, »und da waren total viele Leute. Und Frauen.«
» OP -Schwestern«, half mein Vater aus.
»Ja, genau, und dann kam der Arzt«, sprach Janek weiter und bekam hektische Flecken auf den Wangen, »und hat mir die Hand gegeben. Und eine Sekunde später hat die Schwester einen riesigen Batzen Eis auf mein … auf mein … Ding …«
Mein Vater war behilflich: »Deinen Penis.«
Janek stammelte weiter: »Ja, genau, meinen Penis gehauen, dass ich dachte, ich sterbe.«
»Ha, eine Schwester Rabiata«, sagte mein Vater sichtlich amüsiert von der Geschichte, »dabei war das noch der angenehme Teil,
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