Aeternum
voran, dann Jul und ganzen hinten Amanda. Jul wusste, dass Krätschmers Männer zur selben Zeit einen Bogen schlugen, um sich dem Dom von vorne zu nähern. Diese Aufteilung war das Ergebnis einer langen und hitzigen Diskussion, in deren Verlauf Krätschmer mehrmals so ausgesehen hatte, als wolle er Amanda im nächsten Moment erschießen.
Bald kam eine Treppe in Sicht, die zu einem überdachten, dem Eingang des Gotteshauses vorgelagerten Gang hinaufführte. Krätschmer kauerte sich in den Schatten des letzten Baums und gab ihnen ein Zeichen zurückzubleiben. Auch Jul drückte sich an einen Stamm, und seine Hand tastete nach dem Griff seiner Pistole. In Gedanken ging er durch, wie viele Kugeln er noch hatte. Nicht genug für einen größeren Kampf. Doch sie mussten ohnehin heimlich vorgehen, das war ihre einzige Chance. Sie konnten nicht wissen, ob ein Seraph in der Nähe war. Falls sich ein so hochgestellter Engel in diese Unternehmung einmischte, würden ihnen alle Kugeln der Welt nicht mehr helfen.
Angespannt lauschte Jul. Immer wieder erklangen in der Ferne Sirenen. Doch die Museumsinsel lag wie ausgestorben da. Alles war ruhig.
Eine Explosion zerriss die Stille der Nacht, ließ Jul zusammenzucken. Das musste die geplante Ablenkung sein.
Krätschmer reagierte sofort. Er löste sich aus seiner Deckung, huschte die Treppe hinauf und drückte sich gegen eine der Säulen, die die Überdachung des Gangs stützten. Vorsichtig spähte er in die Schatten. Dann legte er an, zielte, und ein schallgedämpfter Schuss zischte. Dann winkte er ihnen, ihm zu folgen. Lautlos eilte Jul die Treppenstufen hinauf, Amanda dicht hinter ihm.
Sein Blick glitt den dunklen Gang hinunter. Wahrscheinlich hatten zwei Engel den Eingang bewacht. Der eine musste nachsehen gegangen sein, was es mit dem Lärm auf sich hatte. Der andere lag am Boden, eine dahingestreckte Gestalt mit einer immer größer werdenden Lache aus Licht unter dem Kopf. Jul schluckte. Er wusste, dass eine normale Menschenwaffe einen Engel nicht so einfach töten konnte, dass es nur lange dauern würde, bis diese schwere Wunde heilte und er sich wieder erhob. Aber er wusste nicht, ob Krätschmer das auch schon herausgefunden hatte. Der Dämonendiener hatte auf den Kopf gezielt. Wahrscheinlich war er also bereit gewesen, einen Engel kaltblütig zu ermorden. Was, wenn ihm das wirklich einmal gelang? Jul umklammerte den Griff seiner Pistole fester.
Schüsse und die Explosionen von Handgranaten hallten zu ihnen herüber, während Krätschmer über den reglosen Körper hinwegstieg. Er rüttelte an der Tür, wandte sich leise fluchend an Amanda. »Kriegst du das Schloss auf?«
Sie nickte und trat vor, sichtlich bemüht, nicht in Richtung des Engels am Boden zu sehen. Während sie arbeitete, ließ Jul den Blick schweifen. Noch immer erklangen Schüsse und Schreie auf der anderen Seite des Doms. Wie viel Zeit mochten Krätschmers Männer ihnen wohl erkaufen können? Wie lange würde es dauern, bis die Engel bemerkten, dass diese vier nur eine Ablenkung waren?
Mit einem Klacken sprang einer der Türflügel auf. Krätschmer drängte sich an Amanda vorbei, Jul folgte ihm auf dem Fuß. Er hatte kaum die Schwelle übertreten, als ihn das Gefühl befiel, dass etwas nicht stimmte. Beunruhigt versuchte er, in fast vollkommener Dunkelheit etwas zu erkennen, bis ihm einfiel, dass er zum ersten Mal mit einer Waffe in der Hand heiligen Boden betrat. Ein weiteres Zeichen dafür, dass seit dem Morgen kaum mehr etwas war, wie es sein sollte.
Sie schlichen durch den dunklen Vorraum, hinüber zu einer weiteren doppelflügeligen Tür. Schwaches Licht fiel durch die darin eingelassenen, milchigen Glasfenster. Die Hand bereits an der Klinke, wandte sich Krätschmer zu Jul um. »So, Herr Experte, wo sollen wir deiner Meinung nach mit Suchen anfangen?«
Ruhig begegnete Jul dem Blick des Dämonendieners. »In den Katakomben. Ich nehme an, der Dämon wird von mindestens zwei Engeln bewacht werden.«
»Das wird ein Kinderspiel.« Krätschmer hob grinsend sein Sturmgewehr. »Ich hätt gedacht, dieses himmlische Gesocks wär schwerer zu töten, aber so wie’s aussieht, ist das hier ein Haufen Schlappschwänze.«
Kurz fixierte er Jul lauernd. Dessen Rückenmuskulatur zuckte in dem Impuls, drohend die Flügel zu spreizen. Es spielte keine Rolle, dass dieser Mann mit seinem Schuss in Wahrheit nicht das gewünschte Ziel erreicht hatte. Es war die Absicht, die zählte. Juls Gedanken kreisten. Wie konnte
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