Aeternum
Letzte, den wir beseitigen mussten, weil er um das Geheimnis unseres Blutes wusste.«
Kurz versteifte sich Amanda, doch nicht für lange. Ihr Haar fiel ihr ins Gesicht, als sie den Kopf senkte und gierig trank. Wieder wandte Jul sich ab, schob die Hände in die Taschen und starrte gen Himmel, wo der Kampf unverändert tobte. Mit einem Mal war er unsicherer denn je, ob Karin nicht recht hatte, was Amanda anging. Er hatte die Sorge um ihren Bruder in ihren Augen gesehen, hatte die Träne gesehen, die sie für den Mann vergossen hatte, der immer und immer wieder unter dem Steinschlag sterben musste. Sie war weder rücksichtslos noch grausam, sondern besorgt um diejenigen, die ihr etwas bedeuteten. Doch gleichzeitig steckte sie voller Verzweiflung. Was, wenn ihr Wunsch nach Stärke sie alles andere vergessen ließ? Wenn sie zurückschlug, sobald sich ihr die Möglichkeit bot, sich für alles zu rächen, was die Welt ihr angetan hatte?
Ein ersticktes Keuchen riss ihn aus seinen Gedanken. Baal stieß Amanda von sich, entzog ihr seinen Arm. Sie stolperte einen Schritt zurück, der Schlangenkopf auf ihrem Handrücken leuchtete in kräftigem Rot. Stumm ballte sie die Finger zur Faust, begegnete dem Blick ihres Meisters.
»Du wirst gierig.« Er wischte sich das Blut von der Haut, die Wunde hatte sich längst geschlossen.
»Da draußen ist ein Seraph«, stieß sie heiser hervor. »Und ich ende lieber nicht als Aschehäufchen, nur weil mir auf halber Strecke die Magie ausgeht.«
Baal nickte knapp, doch es dauerte noch einen Moment, bis das leuchtende Rot von Amandas Tätowierung ein Stück weit verblasste. Der Dämon wandte sich wieder dem zu, was sich über ihren Köpfen abspielte. Während er den Kampf beobachtete, streckten sich seine Finger zu Klauen, Knochenspitzen traten aus seinen Ellbogen und Schultern. Auch Jul griff nach Pistole und Schwert. Er musste nun alle seine Gefühle beiseiteschieben, musste sich ganz auf den Kampf konzentrieren, der ihnen bevorstand.
»Du gibst das Zeichen, Amanda.«
Sie nickte, leckte sich einen Blutstropfen aus dem Mundwinkel und schloss die Augen, als lausche sie in sich hinein.
32
J etzt!« Amanda sprach das Wort in dem Moment, in dem das Brennen von Balthasars Blut die Quelle ihrer Magie erreichte. Der Rausch der Macht schwemmte durch ihren Körper und spülte alle Sorgen davon. Juls missbilligender Blick, als sie von Balthasars Blut getrunken hatte. Die Ungewissheit darüber, wo Roman war, wie es ihm ging. Die Übermacht der Engel, die um das Gebäude aus Beton und Glas kreisten. Nichts von alldem konnte sie berühren, konnte ihr etwas anhaben. Sie besaß Macht.
Nur ein leises Stimmchen sagte ihr, dass sie beunruhigend finden sollte, was mit ihr geschah, doch es ertrank schnell in dem Gefühl der Unbesiegbarkeit. Amanda stürmte los.
Im Laufen setzte sie über verdrehte und verkohlte Körper hinweg, die Gefallenen der Schlacht über ihnen. Oder nicht? Die meisten der Leichen sahen erschreckend menschlich aus. Keine Schwingen, kein glühendes Blut. Ringsum ratterten die Maschinengewehre von Krätschmers Leuten. Der Wind rauschte in mächtigen Schwingen, als die Engel auf sie herabstießen.
Amanda fegte sie mit einem Gedanken beiseite. Es war so einfach. Sie hörte sich selbst lachen.
Doch die Engel standen wieder auf, erhoben sich erneut in die Lüfte, kamen erneut heran, mit flammenden Schwertern in der Hand. Diesmal waren es mehr, und sie konnte sie nicht alle im Auge behalten.
»Du musst sie töten!«, hörte sie Balthasar rufen.
Das Bild des zerfetzten Seraphs schob sich vor ihr inneres Auge und brach die Wellen des Rausches. Sie musste also töten? Auf Balthasars Befehl? Wütend ballte sie die Hände zu Fäusten. »Du kannst mich mal!«
Sie stieß einen weiteren Engel von sich. Glas knirschte, als er in die Fassade prallte, ein Spinnennetz feiner Risse zog sich über die Fensterfront.
Neben ihr schrie jemand auf. Die Frau mit dem Pferdeschwanz fiel unter der Klinge eines Engels. Maschinengewehrfeuer ratterte auf Amandas anderer Seite, ließ Flecken aus flüssigem Licht auf weißem Stoff erblühen, riss hässliche Krater in das Gesicht des Angreifers. Er kippte wie in Zeitlupe nach hinten, und Amanda rannte weiter, wusste, dass das Bild sie verfolgen würde, sobald die Wirkung von Balthasars Blut nachließ.
Dort vorne war die Drehtür aus Glas, ein paar Stufen führten zu ihr hinauf, und darüber prangten in metallenen Lettern die Worte »Internationales
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