Aeternum
sah ihn an. »Dir gefällt so gut wie nichts an diesem Plan. Manchmal frage ich mich, wieso du mir überhaupt hilfst.«
Jul lehnte sich vor, hob den Griff des Schwertes ein Stück weit an, und blaues Licht tanzte über Amandas Züge. »Weil es mir richtig erscheint. Außerdem hätte der Herr nicht gewollt, dass die Welt seinetwegen untergeht.«
Sie legte den Kopf ein wenig schief. »Sicher?«
Jul atmete tief durch. Er lehnte sich zurück, das flammende Schwert mit der Spitze voran vor sich auf den Boden gestützt. Er lauschte in sich hinein, auf all die nagenden Zweifel. »Nein. Ich denke nur, wir haben bisher nur eine Seite der Geschichte gehört. Die der Dämonen. Sie stellen ihn natürlich möglichst schlecht dar.« Er hielt kurz inne, suchte nach Worten, die ausdrückten, was er fühlte. »Ich glaube zwar auch nicht mehr, dass der Herr unfehlbar ist, und ich kann nicht sagen, was seine Pläne waren. Aber ich will nicht akzeptieren, dass er so grausam und egoistisch ist, wie der Morgenstern behauptet.«
Jul atmete auf. Es tat gut, dies auszusprechen. Endlich Worte dafür zu finden. Zumindest mit einigem, was er in den letzten Tagen erfahren hatte, konnte er so seinen Frieden machen. Die Unsicherheit war noch immer da. Unsicherheit, wo vor so langer Zeit fester Glaube gewesen war. Doch sie drohte ihn nicht mehr zu verschlingen, sondern schien ein Teil von ihm geworden zu sein.
Für eine Weile senkte sich Schweigen über den Raum.
»Du hast recht«, sagte Amanda plötzlich. »Also, was Luzifer und Gott angeht. Aber wir sollten wirklich einen anderen Weg zurück in die Höhle finden. Vielleicht kann Karin eine Karte von diesem Bunker unter dem Alexanderplatz auftreiben? Ich wette, er hat noch andere Eingänge.«
Beim Klang von Karins Namen zuckte Jul zusammen. Hoffentlich ging es ihr gut. Hoffentlich war sie schlau genug gewesen, die Stadt zu verlassen.
»Sie hat nichts mehr mit dieser Sache zu tun.« Er bemühte sich, möglichst gelassen zu klingen, aber die Worte kamen etwas heiser heraus.
Jenseits der zwischen ihnen flackernden Flammen konnte er Amandas Gesicht kaum ausmachen. Ihr musste es ähnlich gehen, denn sie lehnte sich ein Stück zur Seite, um ihn an dem Flammenschwert vorbei anzublicken. Sorge furchte ihre Stirn.
»Hat Balthasar irgendwas …?«
Jul schüttelte den Kopf. »Es war meine Schuld.«
Langsam ließ er den Griff des Schwertes sinken, so dass es zwischen ihnen lag und ihre Gesichter von unten in blauen Schein tauchte. Er atmete tief durch. Er hatte nicht vergessen, worüber er mit Karin gestritten hatte. Und er war es ihr schuldig, das Thema endlich Amanda gegenüber anzusprechen.
»Amanda …« Er suchte nach Worten, fischte sie mühsam aus den Tiefen seines Verstandes. »Falls dies alles wirklich funktioniert …«
»Das wird es.«
Er hob beschwichtigend die freie Hand. »Was ich sagen will, ist, wir wissen nicht, welche Auswirkungen es auf dich haben wird. Es kann sein, dass dein Verstand nicht mit so viel Macht umgehen kann, dass du …«
»Dass ich zu einer Gefahr werde?«, unterbrach sie ihn, die Stimme bitter. »Hat Karin das gesagt?«
Immerhin verstand sie, was er sagen wollte. Jul räusperte sich, Karins Worte hallten in ihm nach. Er sah in Amandas ernste Züge, senkte dann den Blick auf die Waffe in ihrem Schoß.
»Wir dürfen die Augen nicht vor dieser Möglichkeit verschließen.« Seine Stimme klang barscher als beabsichtigt, und die Worte richteten sich zu gleichen Teilen an Amanda wie auch an ihn selbst. Etwas nicht wahrhaben zu wollen war der beste Weg ins Verderben, das hatte ihm Michael deutlich genug bewiesen.
Während er die schwarze Steinklinge betrachtete, sickerte eine Erkenntnis in seinen Geist. Er mochte die verfluchte Waffe nicht gegen den Herrn führen können, ohne eine Katastrophe heraufzubeschwören. Amanda konnte er allerdings damit töten, falls ihm keine andere Wahl mehr blieb.
Er schluckte. Nein, so weit würde es niemals kommen. Doch falls sich bewahrheitete, was Karin prophezeit hatte …
Jul schüttelte den Kopf. »Wir müssen auf alles vorbereitet sein und alles dafür tun, dass es nicht zum Schlimmsten kommt.«
Es gab so viele Worte, die er noch hätte aussprechen sollen, doch er brachte sie nicht heraus. Und auch Amanda schwieg, nickte nur knapp. Ihre Miene blieb dabei hart und unnahbar. Als hätte er das Recht verspielt, hinter die Fassade zu blicken. Weil er es gewagt hatte zu erwähnen, dass ihre einzige Hoffnung womöglich nach
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