Aeternum
versprochen, ihnen zu helfen. Amanda war sich allerdings nicht sicher, was sie von ihm halten sollte. Halb rechnete sie damit, dass er Michael zu ihrem Treffpunkt mitbringen würde, irgendwelche sicherlich ernst gemeinten Worte über ihr Seelenheil auf den Lippen. Das war das Unheimlichste an den Engeln. Sie glaubten, der Menschheit etwas Gutes zu tun.
Konnte dieser eine Engel anders sein? Amanda biss sich auf die Lippe. Im Gegensatz zu Jul hatte er nicht vom Baum der Erkenntnis gegessen. Aber so oder so stellte er ihre beste Chance dar, unter die Erde zu gelangen.
Außer, Luzifer konnte ihnen einen Weg weisen. Ausgerechnet der Herr der Lügen, dem sie eigentlich genauso wenig trauen sollte. Aber zumindest hatte er ein Interesse daran, dass sie lange genug lebten, um mit der Waffe bis zu ihm durchzudringen. Wie seine Pläne danach aussahen? Vielleicht wollte er tatsächlich sterben. Vielleicht spekulierte er allerdings auch darauf, dass sie ihn bei dem Versuch, die Welt zu retten, befreiten.
Amanda spürte, wie sich ihre Lippen zu einem bitteren Lächeln verzogen. Letztendlich konnten sie doch nur wählen, wer ihnen die nächste unangenehme Überraschung bescherte. Die gesamte Belegschaft von Himmel und Hölle schien aus Arschlöchern zu bestehen.
Sie sah sich immer wieder aufmerksam um, spähte in die Schatten und hielt nach einem der rattengestaltigen vergessenen Götter Ausschau. Der Abstieg war beim letzten Mal schon gefährlich genug gewesen. Sie würde sich besser fühlen, wenn ihnen jemand den Weg ebnete und den Rücken freihielt. Selbst wenn es der Teufel persönlich war.
Dort! Huschte dort nicht etwas an der graffitibesprühten Hauswand entlang? Amanda kniff die Augen zusammen, konnte jedoch nichts Genaues erkennen. Seufzend ließ sie den Blick erneut schweifen.
»Noch ungefähr eine Stunde, bis die Sonne untergeht.« Juls Stimme riss sie aus ihren Gedanken. »Dann müssen wir beim Treffpunkt sein.«
*
Es schienen mehrere Ewigkeiten zu vergehen, bis sich Dunkelheit über die Stadt senkte. Ein Stück die Straße herunter sah Amanda die Laternen aufleuchten, aber rings um den ehemaligen Alexanderplatz blieb alles dunkel. Wahrscheinlich war beim Einsturz eine Stromleitung gerissen. Nein, wahrscheinlich waren eine ganze Menge Stromleitungen gerissen. So wie alles andere, das Menschen in dieser Gegend geschaffen hatten.
Im Dämmerlicht wirkte der Krater wie ein dunkler Schlund, der genauso gut direkt in die Hölle hätte führen können. Vielleicht wäre das sogar besser gewesen, immerhin gäbe es dort ganz sicher keine Seraphim. Amandas Magen verkrampfte sich, als sie daran dachte, wie Engel und Dämonen gleichermaßen in dem gleißenden Licht vergangen waren.
Das Rauschen mächtiger Flügel ließ sie zusammenzucken. Nervös spähte sie in den Himmel. Engel lösten sich aus dem Schwarm, der über dem Krater kreiste. In immer kleiner werdenden Kreisen schwebten sie hinab und landeten dicht am bröckelnden Rand des bodenlosen Abgrunds. Ihre Schwerter flammten auf, warfen flackernde Schatten über die Trümmerlandschaft. In einem Kreis nahmen sie um den Krater Aufstellung, einer immer gerade in Rufweite des anderen. Ihre Flügel leuchteten hell in der Dunkelheit, schufen Inseln aus Licht. Wie eine Perlenkette zogen sie sich am gezackten Abgrund entlang, selbst über die Dächer der Häuser. Ein undurchdringlicher Ring. Und darüber kreiste noch immer der Schwarm der Engel, bereit herabzustoßen, wo immer ein Artgenosse Alarm schlug.
Amanda stöhnte. »Da kommen wir nie unbemerkt durch. Und selbst wenn, fallen wir im Krater in irgendein Loch, weil wir es in der Dunkelheit nicht rechtzeitig sehen. Was hat sich dein Freund dabei gedacht?«
Jul lehnte sich vor, sein Atem strich über ihre Wange, und sie konnte nicht verhindern, dass ein angenehmer Schauer sie durchrieselte. »Muriel wird schon wissen, was er tut.«
»Seit wann bist du so vertrauensselig? Dieser Typ hat nicht mal ein Gewissen. Nenn mir einen Grund, warum er uns nicht verraten sollte.«
»Er glaubt mir.« Jegliche Wärme wich aus Juls Stimme. »Außerdem kenne ich ihn seit mehreren tausend Jahren.« Er zog sich von ihr zurück, und mit einem Mal schien der laue Wind, der durch Amandas Kleidung strich, an Kälte zu gewinnen.
»Aber er hat dir nicht geholfen, als du verbannt wurdest.« Nun erst wandte sie sich zu Jul um, sah Schmerz in seinem Blick aufflackern. Dann aber wurden seine Züge zu einer undurchdringlichen Maske.
»Was hätte er
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