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Aeternum

Aeternum

Titel: Aeternum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Bottlinger
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sich ihnen bot. Angesichts der drei strahlenden Flügelpaare hinter Juls Rücken.
    Juls Züge wurden hart. »Schaffst du es allein bis in die Mitte der Höhle?«
    Amanda wandte den Kopf, sah zu dem Wirbel aus Licht und Schatten hinüber, eingerahmt von vier steinernen Säulen. Dunkel hoben sich Luzifers Umrisse vor dem göttlichen Schein ab. Vorsichtig belastete Amanda ihr verletztes Bein, verzog vor Schmerz das Gesicht. Aber sie musste nicht laufen können, wenn die Schwerkraft auf dem Großteil des Weges ohnehin nicht funktionierte.
    »Wird schon gehen.«
    Jul nickte, dann ließ er sie los, trat an ihr vorbei. Er breitete die Flügel aus, blendete sie und versperrte ihr den Blick auf Michael. Amanda blinzelte. Sie streckte die Hand aus, wollte über die strahlenden Federn streichen. Kurz bevor sie sie berührte, zog sie die Hand zurück. Sie hatte Wichtigeres zu tun.
    Sie wandte sich ab, knickte beinahe ein, als sie ihr Bein belastete. Doch sie biss die Zähne zusammen. Zwei Schritte nur, dann fiel alle Schwere von ihr ab. Mit dem gesunden Bein fand sie noch einmal Halt am Boden, stieß sich nach vorn und schwebte auf das wogende Spiel von Licht und Schatten zu.
    »Du kannst mich mal, Schwerkraft.«
    Fast schien es, als habe die Gravitation sie gehört, denn im nächsten Moment fiel sie wieder, und Schmerz schoss erneut durch ihr Bein.
    Sie hatte nicht die Kraft, noch einmal aufzustehen. Verbissen zog sie sich über den steinernen Boden, bis sie endlich wieder schwebte. Mit dem gesunden Bein katapultierte sie sich nach vorn.
    Schatten wogten, als Luzifer die Hände nach ihr ausstreckte. Aber sie wollte verdammt sein, wenn sie dumm genug war, sich von ihm fangen zu lassen. Sie bekam eine der steinernen Säulen zu fassen, stoppte ihren Schwung. Und nun? Flügel wären praktisch gewesen.
    Ganz vorsichtig stieß sie sich erneut ab, driftete in seine Richtung, darauf bedacht, das Messer, soweit es ging, außerhalb seiner Reichweite zu halten. Traue niemandem, schon gar nicht dem Herrn der Lügen.
    Er breitete einen Flügel aus, schirmte sie vor dem strahlenden Licht ab. Sie griff zu, mitten in die Schatten. Irgendetwas bekam sie zu fassen. Federn? Die Kante einer ledrigen Schwinge? Etwas anderes? Sie konnte es nicht sagen, und sie versuchte nicht zu genau darüber nachzudenken. Es bot ihr Halt, das allein zählte.
    Ein Lächeln huschte über Luzifers Lippen. Es wirkte schwach, seine Wangen waren eingefallen, die gelben Augen stumpf. »Endlich.«
    »Wenn du deinen Leuten etwas mehr Hilfsbereitschaft beigebracht hättest, wäre es schneller gegangen.«
    Er musterte sie, sein Blick blieb an dem Tattoo über ihrer Kehle hängen, glitt dann tiefer. Fast schien es, als könne er durch den Stoff ihrer Bluse sehen. »Du scheinst doch recht erfolgreich verhandelt zu haben.«
    Amanda schnaubte, zog sich an seiner Schwinge ein Stück näher. »Ich hätte meine Seele gern behalten.«
    Er lachte leise, bis das Lachen in ein krampfartiges Husten überging. »Ihr Wert wird allgemein überschätzt.« Seine Stimme klang erstickt, heiser. »Aber hol sie dir zurück, wenn du kannst. Du weißt, was du tun musst.« Mit diesen Worten hob er den Flügel, an dem sie hing, ein Stück an. Licht blendete Amanda. Sie blinzelte, versuchte irgendetwas zu erkennen, erhaschte jedoch nur vage Eindrücke. Ein Gesicht, tief im Schlaf gefangen. Aber war es jung? Alt? Mann? Frau? Sie konnte es nicht sagen, und Kopfschmerzen begannen zwischen ihren Schläfen zu pochen. Jul hatte gesagt, er habe eine Wunde gesehen, ein dunkles Loch in der glühenden Brust. Aber wenn, dann sah ein Engel mehr als ein Mensch. Sie erkannte nichts.
    Wie sollte sie ein solches Wesen töten? Das Messer in ihrer Hand schien mit einem Mal Tonnen zu wiegen.
    Sie hatte Krätschmer getötet und zum Tod des Seraphs beigetragen, der Jul angegriffen hatte. Sie hatte in den vergangenen Tagen mehr Blut und Gewalt gesehen als je zuvor in ihrem Leben und sich beinahe eingebildet, sie würde sich langsam daran gewöhnen. Und nun ging es nicht nur um die Rettung ihres eigenen Lebens, es ging um ihren Bruder und um die Welt. Dennoch konnte sie sich nicht rühren.
    Sie versuchte, sich Roman ins Gedächtnis zu rufen, der in einer dunklen Zelle saß. Sie zog sich noch ein Stück weiter an der schattenhaften Schwinge voran, den Blick wie gebannt auf die Andeutung eines Gesichts in all dem Leuchten gerichtet. Ihre Hände zitterten. Dieses Wesen griff sie nicht an. Es lag nur da, vollkommen

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