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Aeternum

Aeternum

Titel: Aeternum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Bottlinger
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Dämonendienerin schien in ihre eigenen Gedanken versunken zu sein. Mit kritischem Blick musterte sie die Decke des Raums. Dabei biss sie sich auf die Unterlippe, wahrscheinlich ohne es selbst zu merken, und erlaubte Jul damit einen kurzen Blick auf die Unruhe hinter ihrer gefassten Fassade. Wie wenig sie doch mit dem Senator gemeinsam hatte. Wären die Tätowierungen nicht gewesen, er hätte sie niemals für eine Dämonendienerin gehalten.
    Doch er durfte nicht vergessen, was sie war. Selbst wenn sie ebenso ahnungslos war wie er, was die Vorgänge in diesem Krater betraf, musste das nicht auf ihren Meister zutreffen. Sie konnte Befehle haben, die ihn davon abhalten würden, seinen Teil der Mission zu erfüllen. Und Michael wäre sicher nicht erfreut, wenn die Dämonen Informationen erhielten, die den Engeln verborgen blieben.
    Jul drückte mit den Fingerspitzen gegen eine der größeren Scherben, und sie brach aus dem Rahmen. Vorsichtig zog er sich auf das Sims, duckte sich durch das Fenster. Glas knirschte unter seinen Schuhen, als er mit einem Satz im Inneren des Raums landete. Er zwang seinen Blick zu Boden. Nur nicht nach oben sehen, wo sich jederzeit ein Trümmerstück lösen und eine ganze Lawine mit sich reißen konnte.
    Amanda folgte etwas langsamer. Sie stiegen über verbogene Aktenschränke und fanden sich schließlich in einem Büroflur wieder. Schutt blockierte ihn in der einen Richtung, doch in der anderen erstreckte sich die Reihe der geborstenen Türrahmen ein ganzes Stück ins Zwielicht. Einige Streifen trüben Morgenlichts hatten einen Weg zwischen den Trümmern über ihren Köpfen und durch die Reste der Decke gefunden. Staub tanzte in ihrem Licht, und ein muffiger Geruch nach feuchtem Beton lag in der Luft. Und roch er dort nicht auch einen Hauch von Verwesung? Sicher waren in diesem Haus Menschen gestorben.
    Zu seiner Überraschung blieb das Mitleid bei diesem Gedanken aus. Tot war tot, daran ließ sich nichts mehr ändern.
    Sie liefen den Gang entlang, blickten immer wieder in die angrenzenden Räume. Schilder mit Nummern hingen neben jeder Tür. Wenn die erste Ziffer das Stockwerk anzeigte, dann war dies einst das zweite gewesen.
    Einige der Durchgänge waren vollständig blockiert, andere Räume konnte man betreten. Doch dort erwarteten sie nichts als Betontrümmer und die Reste von Schreibtischen, Aktenschränken und Computern. Papier lag überall verstreut. Jul hob eines der Blätter auf, entdeckte darauf aber nichts anderes als Reihen über Reihen von Zahlen.
    Durch die nächste Tür schaute er nur noch im Vorbeigehen. Moment, konnte das …? Abrupt blieb er stehen und unterzog den Raum nun doch einer genaueren Betrachtung. Tatsächlich, er hatte sich nicht getäuscht. Dort schwebte ein Betonbrocken ein Stück über dem Haufen Schutt, auf dem er eigentlich liegen sollte. Unter ihm schien das Geröll Wellen zu schlagen, als wolle es jeden Moment zerfließen. Schon wieder.
    Jul sah sich kurz um, entdeckte nicht weit entfernt ein verbogenes Metallrohr, vielleicht einst ein Tischbein. Er hob es auf, wog es in der Hand.
    »Hältst du das für eine gute Idee?«, erklang Amandas Stimme hinter ihm.
    Jul drehte sich nicht zu ihr um, fixierte den Stein. »Du magst hier sein, weil man es dir befohlen hat. Aber ich will tatsächlich wissen, was in diesem Krater vor sich geht.« Das war nur die halbe Wahrheit, doch über seine Flügel würde er mit einer Dämonendienerin ganz sicher nicht sprechen. Er hörte sie irgendetwas murmeln, das nicht sonderlich freundlich klang, während er einen Schritt auf den schwebenden Brocken zu tat. Dann holte er mit der Stange aus. Mit einem hellen, metallenen Klang stieß sie gegen den Beton. Im nächsten Moment ließ Jul das Metallrohr fahren. Mit einem Schmerzlaut auf den Lippen sprang er zurück.
    Seine Hand brannte vor Kälte. Vorsichtig drehte er sie, streckte mühsam die tauben Finger. Es fühlte sich an, als würden Tausende von Nadeln in seine Hand stechen, doch immerhin gehorchten die Muskeln. Die Handfläche hingegen bot keinen schönen Anblick. Weiß wie Schnee, die Ränder blau, grün und schwarz. Erfroren. Steinchen knirschten unter Amandas Schuhen, als sie näher trat.
    »Ich könnte jetzt sagen …«
    »Erspar es mir«, unterbrach er sie und deutete nach vorn. »Sieh dir lieber das an.«
    Die Stange klebte noch immer an dem Beton, ebenso bewegungslos wie der Brocken selbst. Das Trümmerstück hatte seine Position nicht einen Millimeter verändert.

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