Aeternum
sich gegen eine Schläfe, und die Berührung schickte ein schmerzhaftes Prickeln durch das verdammte neue Tattoo. Es würde noch eine Weile dauern, bis es verheilt war. »Ich bin eine hochauflösende Kamera auf zwei Beinen.«
Juls Blick wanderte zu den roten Augensymbolen an ihren Schläfen, und sein Gesicht nahm wieder diesen Ausdruck an, der für Engel typisch zu sein schien. Doch nicht lang, dann starrte er wieder nach vorn. »Scheint kein guter Handel zu sein. Deine Seele gegen so was.«
Amanda verhielt mitten im Schritt. Dieser arrogante Mistkerl! Seine Leute billigten es doch, dass solche Deals geschlossen wurden! Wie konnte er es da wagen, irgendeine Art von moralischem Urteil über sie zu fällen? »Ich weiß ja nicht, was ihr Engel den ganzen Tag so macht, aber hier auf der Erde geht es teilweise ziemlich beschissen zu. Wir haben nicht immer eine Wahl, weißt du?« Mit zwei Schritten überholte sie Jul, stellte sich ihm in den Weg. Sie suchte seinen Blick, hielt ihn mit all der Wut, die in ihrem Inneren brodelte. »Und ich habe meine Seele nicht verkauft! Sie ist eines der wenigen Dinge, die noch mir gehören, obwohl ich wirklich nicht weiß, was mir das bringen soll. Immerhin scheint es euch nur dann zu interessieren, was wir damit machen, wenn ihr deswegen auf uns herabschauen könnt.«
Für einen Moment sah Jul sie mit undeutbarer Miene an. Amanda rechnete mit einer wütenden Erwiderung, doch er hob stattdessen beschwichtigend die Hände. Kurz huschte ein Lächeln über seine Lippen, das jedoch seine Augen nicht erreichte. »Entschuldige. Ich wollte deine Gefühle nicht verletzen.«
Mit diesen Worten ging er an ihr vorbei und trat in den Schatten des Schuttbergs vor ihnen. Verdutzt blickte Amanda ihm hinterher. Sie sah zu, wie er sich der Wand näherte und sich durch eine darin gähnende Fensteröffnungen lehnte. Vorsichtig, denn es steckten noch einige scharfkantige Scherben im Rahmen.
Hatte er diese Entschuldigung ernst gemeint, oder hielt er sie einfach für zu unwichtig, um mit ihr zu streiten?
11
H inter dem zerbrochenen Fenster empfing sie staubiges Zwielicht. Juls Augen brauchten einen Moment, um sich darauf einzustellen und Sinn in das Chaos zu bringen, das der Einsturz hinterlassen hatte. Zwischen den allgegenwärtigen Betonbrocken lagen die Trümmer eines Schreibtisches, eines seiner stählernen Beine in die Höhe gereckt wie ein sterbendes Tier. Ein zertrümmerter Computerbildschirm und auf die Seite gefallene Aktenschränke deuteten darauf hin, dass dies einst ein Büro gewesen war. Nun glich der Raum einer Schutthalde, und dort, wo einmal die Decke gewesen war, hielt ein verbogener Stahlträger ein großes Stück einer Wand aus den oberen Stockwerken davon ab hinabzustürzen. Das gähnende Loch einer nur halb verschütteten Tür führte tiefer in den Berg aus Trümmern.
Amandas Schritte knirschten hinter Jul. Hoffentlich hatte seine Entschuldigung genügt, um ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen. Ihm stand der Sinn nicht nach Streit. Er hatte seine Worte ernst gemeint. Worauf die Diener der Dämonen sich einließen, klang nach einem äußerst schlechten Handel, ganz jenseits moralischer Kategorien, die er ohnehin nur ansatzweise erfassen konnte.
Allerdings war ihm bislang nicht klar gewesen, dass nicht alle, die einem Dämon dienten, ihm auch ihre Seele verkauften. Offenbar gab es mehr als einen Preis, den ein Dämon für Macht, Geld und was auch immer sonst verlangen konnte. Falls Amanda die Wahrheit sprach, diente sie ihrem Meister nur im Leben, doch nach ihrem Tod war ihre Seele frei. Aber was dann? Wenn Jul ehrlich war, wusste auch er nicht, was eine freie unsterbliche Seele in diesen Zeiten noch wert war. Der Herr war fort, und er hatte nicht nur die Engel, sondern auch den Rest seiner Schöpfung im Stich gelassen.
Jul schüttelte den Kopf, um den Gedanken loszuwerden. Stattdessen richtete er den Blick auf die Decke des Hohlraums im Schutt. Obwohl der Stahlträger die Trümmerstücke darüber offensichtlich recht sicher an Ort und Stelle hielt, sah es aus, als könnte der gesamte Aufbau jeden Moment in sich zusammenbrechen.
»Falls überhaupt, finden wir wohl da drin einen Weg nach unten, weil da nicht so viel Zeug nachrutschen konnte.« Jul zuckte zusammen, als Amandas Stimme direkt neben ihm erklang. Wie von selbst wanderte seine Hand zur Pistole. Er hätte sie kommen hören müssen! Dies war gefährliches Gebiet, er durfte in seiner Wachsamkeit nicht nachlassen.
Die
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