Aeternum
sich Engel und Dämonen nicht einfach mit dem offensichtlichen Grund für den Einsturz zufrieden geben. Ganz sicher wollten sie eine Erklärung für diese seltsamen … Phänomene. Aber war es überhaupt möglich, eine solche hier unten zu finden?
Der Engel drehte sich zu ihr um, eine steile Falte zwischen den Brauen. »Interessiert es dich überhaupt nicht, was hier vorgeht?«
»Mich interessiert vor allem, hier lebend wieder rauszukommen.« Warum gab er ihr das Gefühl, als sei das etwas Schlechtes? Musste er ihr ständig unter die Nase reiben, dass er die edleren Motive für diesen verdammten Ausflug hatte? »Aber ich schätze, das Problem hast du nicht«, fuhr sie ihn an. »Wahrscheinlich bist du unsterblich oder so was.«
»Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber das bin ich nicht.« Mit diesen Worten setzte er sich wieder in Bewegung, den Tunnel hinunter.
*
Je weiter sie vordrangen, desto lauter wurde das Rumpeln, und je länger Amanda hinhörte, desto mehr glaubte sie, einen Rhythmus darin zu erkennen. Wie der Atem eines riesigen steinernen Wesens. Amanda schüttelte den Kopf. Beunruhigende Vergleiche halfen ihr nicht weiter, eher im Gegenteil.
Beim nächsten Rumpeln wehte Staub in den Lichtkreis ihrer Taschenlampe. Neben ihr spannte sich Jul an. Amanda ließ den Lichtkegel der Taschenlampe über die Decke huschen. Keine Risse, sie sah beruhigend solide aus. Doch hatte sich dort vorne in der Dunkelheit nicht gerade etwas bewegt?
»Hilfe!«
Jul zog im Gehen seine Pistole, und Amanda wünschte sich, auch eine Waffe zu besitzen. Wenn es nur eine gäbe, mit der sie umgehen konnte! Sie tastete nach der Quelle ihrer Magie, grub in ihren Erinnerungen. Wie sie das Glas zum Zerspringen gebracht hatte, wusste sie noch immer nicht, aber den Trick mit dem schwebenden Messer würde sie vielleicht wiederholen können.
Wieder rumpelte es. Gleichzeitig tanzte das vereinte Licht von Taschenlampe und Flammenschwert über eine Gestalt, brach sich auf den Reflektoren einer orangefarbenen Schutzweste. Ein Mensch! Aber warum stand er dort einfach so herum?
Das Rumpeln schwoll an, ein Zittern ging durch den Boden unter Amandas Füßen. Dann löste sich der erste Betonbrocken aus der Decke, riss den nächsten mit sich. Mit angstgeweiteten Augen starrte der Mann nach oben. Doch er rührte sich nicht, stand wie festgewurzelt inmitten des tödlichen Regens, hob verzweifelt die Arme, als könne ihn diese Geste schützen. Ein hohes, schmerzerfülltes Wimmern fand seinen Weg durch das Getöse der herabstürzenden Steine. Staub wirbelte ihnen entgegen, und Amanda hustete. Sie bemerkte es kaum. Sie konnte nichts anderes tun, als auf den Schuttberg zu starren, unter dem nun ein Mensch begraben lag. Ein Mensch, der bis eben noch gelebt hatte.
Für einen Augenblick herrschte Stille im Tunnel.
»Schau!« Juls Stimme riss sie aus ihrer Starre. Er deutete auf einen Stein, der ein Stück in ihre Richtung gerollt war. Nun setzte er sich wieder in Bewegung, allerdings rollte er diesmal von ihnen weg. Es war, als würde man einen Film zurückspulen. Der Stein hüpfte den Schuttberg hinauf, verschwand dann mit einem Satz Richtung Decke. Die anderen Trümmerstücke folgten ihm, erhoben sich wie von Geisterhand, um ihren angestammten Platz wieder einzunehmen. Der Mensch, der unter ihnen zu Boden gegangen war, wurde wie eine Puppe in die Höhe gerissen, zerschmetterte Glieder streckten sich und schienen plötzlich wieder unversehrt. Der Boden unter ihm schlug Wellen, als wäre er aus Wasser.
Der Blick des Mannes irrlichterte in Amandas Richtung, hielt den ihren gefangen. Zwischen tiefer Verzweiflung und Unglauben glomm ein Funke Hoffnung auf. »Bitte, helft mir!« Er machte einen verzweifelten Satz auf sie zu, doch die Trümmerstücke waren schneller. Erneut prasselten sie auf ihn hinab. Ein Schrei wehte durch den Tunnel, ein tierhafter Laut voller Wut und Angst, der schließlich in einem Gurgeln erstickte und erstarb. Erneut wölkte ihnen Staub entgegen.
Amanda zitterte. Sie schlang die Arme um den Oberkörper, doch die Kälte, die sie spürte, kam von innen. Der Gesichtsausdruck des Mannes kurz vor seinem Tod … Da war mehr als Furcht gewesen. Pures Entsetzen hatte in seinen Zügen gestanden. Er wusste, dass sein Tod nicht das Ende, nicht die Erlösung von allem Leid bedeutete. Er erinnerte sich an all die Male, die er zuvor gestorben war, und fürchtete die, die noch kommen würden.
Heftige Übelkeit packte Amanda, als die
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