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Aeternum

Aeternum

Titel: Aeternum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Bottlinger
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Steine erneut klackerten.
    Sie sah auf und blickte direkt in Juls Gesicht. Zu ihrer Überraschung war seine Miene nicht reglos wie beim Anblick des Toten, den sie oben gefunden hatten. Stattdessen konnte sie im flackernden Schein seiner blauen Flammen tiefes Entsetzen und Mitleid darin lesen. Regungen, derer sie ihn gar nicht für fähig gehalten hatte.
    »Kannst du ihn retten?«
    Langsam schüttelte der Engel den Kopf. Neben ihnen stürzten erneut die Trümmer herab, begleitet vom verzweifelten Wimmern des Mannes in der orangefarbenen Schutzweste. Amanda zog den Kopf zwischen die Schultern, hätte am liebsten die Hände auf die Ohren gepresst. Wie lange musste der Mann dieses Grauen bereits durchleiden? Mehrere Tage, wenn er zu dem Rettungstrupp gehörte, der im Krater verschollen war. Nicht einmal Balthasar hätte sie ein solches Schicksal gewünscht. Sie musste etwas unternehmen, irgendetwas!
    Amanda zwang sich, sich der grausigen Szene zuzuwenden, die erneut von irgendeiner höheren Macht zurückgespult zu werden schien. Als die Steine fielen, griff sie nach der Magie in ihrem Inneren. Sie folgte ihrem Gefühl. Nur nicht zu genau darüber nachdenken, wie es funktionierte, dann klappte es vielleicht. Mit der Kraft ihrer Gedanken stieß sie gegen die Trümmer. Wenn sie nur verhindern konnte, dass sie den Mann trafen …
    Einige der Brocken ruckten im Fallen ein Stück beiseite. Doch sie konnte sich unmöglich auf alle gleichzeitig konzentrieren.
    »Bitte, ich ertrage es nicht mehr!« Mit diesem Schrei auf den Lippen ging der Mann erneut in einem tödlichen Regen aus Beton zu Boden. Amanda hatte das Gefühl, an dem aufgewirbelten Staub ersticken zu müssen.
    Sie wartete, zwang sich dazu, ruhig zu atmen. Wenn sie sich nur genug konzentrierte …
    »Springen Sie her!«, rief sie dem Mann zu, als er wieder stand. Erneut warf er sich in ihre Richtung. Gleichzeitig drückte sie die Steine mit all ihrer geistigen Kraft von ihm fort. Er schrie auf, als ihn ein fallender Brocken am Bein erwischt. Der Länge nach schlug er hin, bis zur Hüfte unter Schutt begraben. Schmerz verzerrte sein Gesicht. Aber er lebte!
    Amanda eilte vor, bis an den Rand des Wellen schlagenden Bodens. Sie wollte die freie Hand nach dem Mann ausstrecken, doch Jul erschien neben ihr, hielt sie zurück. Eilig zerrte er den Gürtel aus seiner Hose, warf ihn dem Verletzten zu wie eine Rettungsleine. Zitternde Finger bekamen das Leder zu fassen. Es klappte!
    Jul zog – und taumelte haltlos nach hinten. In einer Hand hielt er das Ende des Gürtels, sauber abgetrennt. Fassungslos starrte Amanda auf die andere Hälfte, an die sich der Mann noch immer klammerte. Sie hing straff gespannt in der Luft, reichte genau bis zu der Grenze, an der die Wellen verebbten. Amanda wurde übel bei dem Gedanken, dass dort ebenso gut ihre Hand hätte hängen können.
    Mit einem Mal zog sich die Gürtelhälfte zurück, verschwand an der Grenze ins Nichts. Juls Wurf in umgekehrtem Ablauf. Auch der Mann wurde in seine Ausgangsposition zurückgerissen, die Betonbrocken fügten sich wieder in die Decke. Amandas Finger verkrampften sich um die Taschenlampe, ein erstickter Fluch kam über ihre Lippen. Sie hatten rein gar nichts erreicht. Und als die Steine erneut fielen, erschien am Rand des flimmernden Bereichs der Gürtel wieder, warf sich selbst aus, baumelte in der Luft, als wolle er sie verspotten.
    Verdammte Scheiße! Amanda holte aus, um nach dem Stück Leder zu treten, hielt sich gerade noch rechtzeitig zurück. Unruhig ging sie auf und ab, biss sich auf die Unterlippe. Sie konnte diesem Mann nicht helfen, aber genauso wenig konnte sie ihn seinem Schicksal überlassen. Schon allein deshalb nicht, weil das Bild seiner schreckgeweiteten Augen sie dann bis in alle Ewigkeit in ihren Träumen verfolgen würde.
    »Gib mir deine Waffe!« Sie blieb stehen, streckte die Hand in Juls Richtung aus, ohne ihn anzusehen, behielt stattdessen die Trümmer im Auge.
    Der Engel schien zu erahnen, was sie vorhatte. »Wie gut kannst du schießen?«
    Als Amanda schwieg, trat er neben sie, legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Dachte ich mir. Mach Platz, du stehst im besten Schusswinkel.«
    Die Trümmer hoben sich gerade wieder. Jul zog, zielte, schoss, alles in einer Bewegung. Der Knall hallte ohrenbetäubend laut durch den Tunnel. Ein rundes Loch erblühte auf der Stirn des Mannes, der gerade ein weiteres Mal eine aufrechte Haltung eingenommen hatte. Er sackte in sich zusammen, noch bevor

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