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Aeternum

Aeternum

Titel: Aeternum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Bottlinger
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die Decke erneut auf ihn herunterkrachte.
    Amanda konnte nur hoffen, dass er nun tot bleiben würde. Und dass sie das Bild der Verzweiflung in seinen Augen je wieder loswurde. Andererseits überlebte sie vielleicht gar nicht lange genug, damit das eine Rolle spielte.
    Vor ihnen hoben sich die Trümmer erneut. Zu Amandas Entsetzen wurde auch der Mann wieder mit in die Höhe gerissen. Für einen Moment fürchtete sie, Juls Schuss könnte nur für dieses eine Mal Wirkung gezeigt haben, doch kaum stand der Mann, sackte er auch schon wieder mit einem Loch in der Stirn in sich zusammen. Er spürte nichts, sicher spürte er nichts mehr. Sie hatten den Kreislauf gebrochen, er starb nun jedes Mal, noch ehe er wieder richtig zum Leben erwachen konnte.
    »Es muss so sein, es muss!« Beinahe lautlos formten ihre Lippen immer wieder diese Worte. »Es muss!«
    Sie wandte sich endgültig ab, wollte den Tod in seiner Unendlichkeit nicht mehr sehen. »Verdammt …« Ihre Stimme klang rauh, sie zitterte am ganzen Körper. Als sie aufschaute, begegnete sie Juls Blick, sah seine vor Sorge gerunzelte Stirn. Doch auf einmal kam ihr diese Miene vor wie eine sorgfältig aufgesetzte Maske.
    »Was zur Hölle ist hier los?« Sie trat einen wackeligen Schritt auf ihn zu. »Du musst doch zumindest eine Ahnung haben, was verdammt noch mal hier abgeht! Michael weiß was, die Dämonen wissen was. Klar, dass mir niemand irgendwas erklärt, aber du bist doch hier der verdammte Engel. Warum gehst du eigentlich nicht einfach hin und fragst Gott, was er da für eine Scheiße baut?«
    Tränen verschleierten Amandas Sicht, liefen ihre Wangen hinunter. Nun sah der Engel sie auch noch weinen. Aber wen kümmerte es, wenn sie doch eh bald sterben würde? Womöglich sogar immer und immer wieder, wie der Mann in der orangefarbenen Weste.
    »Ich wünschte, das könnte ich.« Juls Stimme ging beinahe im Poltern der Steine unter. »Aber der Herr ist fort.«

13
    J ul wusste immer weniger, was er von dieser Dämonendienerin halten sollte. Tränen zeichneten Spuren in den Staub auf Amandas Wangen, der Beweis für mehr Mitleid, als er je von ihresgleichen erwartet hätte. Doch auf seine Worte hin versiegten sie.
    »Was?« Sie wischte sich mit dem Ärmel über die Augen, starrte ihn ungläubig an. »Du willst mir erzählen, dass es Gott nicht nur tatsächlich gibt, sondern dass er außerdem irgendwo verschollen ist?«
    Misstrauisch verengte Jul die Augen. Hatte ihr Meister ihr wirklich nichts erklärt, oder tat sie nur so ahnungslos? Irgendetwas verbarg sie vor ihm, dessen war er sich sicher. Er hatte gesehen, wie die Trümmer vor ihrem Blick zurückgewichen waren. Sie mochte freundlich wirken, aber vertrauen durfte er ihr auf keinen Fall.
    Jul schob die Pistole in das Schulterhalfter unter seiner Jacke zurück. »Ja, genau das. Vermisst, höchstwahrscheinlich tot.«
    Er wusste, dass er bitter klang, doch nun hatte er sogar einen weiteren Beweis. Wäre der Herr tatsächlich noch irgendwo, hätte er so etwas wie den ewigen Tod dieses Mannes sicherlich nicht geduldet. Er mochte Menschen sterben und leiden lassen, aber nicht so. Nicht auf diese grauenhaft falsche Weise.
    »Vielleicht hat es mit der Zeit zu tun.« Irgendwie musste er alldem einen Sinn abgewinnen, es erklären. »Der Welleneffekt scheint die Zeit anzuhalten oder rückwärtslaufen zu lassen.«
    »Oder eine Zeitschleife zu machen.« Amanda warf einen Blick auf den Mann in der orangefarbenen Weste und schlang schaudernd die Arme um ihren Körper.
    Jul überlegte. Wenn das stimmte, funktionierten mit einem Mal Dinge nicht mehr, die er bislang für unverrückbar gehalten hatte. Fundamentale Dinge, die die Schöpfung am Laufen hielten. Vielleicht weil der Herr nicht mehr da war, um darauf zu achten? Aber gab es dann überhaupt noch irgendwen, der die aus den Fugen geratene Welt wieder richten konnte?
    »Ja, die Zeit.« Die Worte wurden mehr gezischt als gesprochen. Im selben Augenblick wie Amanda wirbelte Jul herum, zog seine Waffe.
    Im Tunnel stand eine unförmige Gestalt. Halb Ratte, halb Mensch, von der Größe eines Kindes. Spitze Zähne glitzerten im Licht von Amandas Taschenlampe, als das Wesen den Mund öffnete. »Die Zeit ist immer das Erste, das nicht mehr funktioniert.«
    In den Klang der zischenden Stimme mischte sich das Trippeln kleiner Füße. Unzählige Augen glühten im Licht, als immer mehr Wesen aus der Dunkelheit traten. Sie waren allesamt kleiner als ihr halbmenschlicher Bruder und hatten

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