Aeternum
erklärt nicht, was ich gesehen habe.«
»Das …« Sie seufzte, fuhr sich durch das Haar und schüttelte ein wenig Staub aus ihren Locken. »Balthasar hat mir sein Blut zu trinken gegeben, deshalb habe ich seine Selbstheilungskräfte.«
Lügen, nichts als Lügen! Was bezweckte sie damit? Jul trat einen Schritt auf sie zu, und Amanda wich zurück, stieß mit dem Rücken gegen die Wand. »Ich habe einmal einen Menschen gesehen, der das Blut eines Dämons getrunken hat, weil er dachte, es würde ihm ewiges Leben verleihen. Er war nach zwei Minuten tot.« Ein weiterer Schritt, und der Lauf der Waffe drückte gegen ihre Stirn. »Noch mal, und diesmal die Wahrheit: Was bist du, und wieso gibst du dich als Mensch aus?«
Die Taschenlampe zeigte gen Boden, nur noch das improvisierte Flammenschwert in Juls Linker erhellte Amandas Gesicht, zeichnete blau flackernde Schatten auf ihre Züge. Für einen Moment sah er noch Schrecken darin, dann verengten sich ihre Augen zu schmalen Schlitzen. »Ich bin eine Magierin.«
Etwas stieß mit Wucht gegen seine Waffenhand, drückte sie nach oben. Ein Schuss löste sich, schlug harmlos in die Wand. Jul sprang eilig zurück, als Amanda nach ihm trat, hob abwehrend sein improvisiertes Schwert. Sie funkelte ihn an, als wollte sie ihm nachsetzen, verharrte dann aber in halb geduckter Haltung, beobachtete ihn aufmerksam.
Auch Jul hielt inne. Eine Hexe also. Kein Dämon, der geplant hatte, sich sein Vertrauen zu erschleichen, nur um ihn dann zu überrumpeln, sobald sie etwas Wichtiges fanden. Das war viel wert. Auch wenn die Wahrheit sie nicht unbedingt sympathischer machte.
Langsam steckte er seine Pistole weg, um ihr zu zeigen, dass er sie nicht länger bedrohen wollte, und senkte das Flammenschwert. Auch Amanda richtete sich ein wenig auf, beäugte ihn aber weiterhin misstrauisch. »Das ist also der Lohn für deine Dienste«, murmelte er fast mehr zu sich selbst. »Magie.« Was sie wohl damit vorhatte?
Unerwartet verdüsterten sich ihre Züge erneut. Sie machte einen halben Schritt vor. Doch dann huschte ihr Blick zu dem Flammenschwert in seiner Hand, und sie hielt inne.
»Hör endlich auf, über Dinge zu reden, von denen du keine Ahnung hast! Hör endlich auf zu denken, du wüsstest irgendetwas über mich und könntest über mich urteilen! Die Magie ist nicht mein Lohn, sie ist der verdammte Grund dafür, dass Balthasar mich in seine Dienste gezwungen hat. Ich würde sie liebend gern abgeben, wenn ich dafür mein altes Leben zurückbekommen würde.«
So plötzlich, wie ihre Wut gekommen war, verrauchte sie wieder. Sie wandte sich halb ab, wischte sich mit dem Handrücken über die Wange. Doch Jul hatte die glitzernde Träne bereits gesehen. Sie meinte es ernst, so gut konnte niemand lügen. Sie diente ihrem Herrn nicht freiwillig.
Mit einem Mal kam er sich vor wie das letzte Arschloch. Ein Gedanke löschte sein Schwert, die leicht verbogene Eisenstange fiel klappernd zu Boden. Wieso musste das alles so kompliziert sein? Wieso verschwamm die Grenze zwischen Gut und Böse immer mehr? Da stand er und hatte Mitleid mit einer Dämonendienerin.
Um sich zu sammeln, ging er zu der Tür hinüber, drückte kurz das Ohr an das Metall. Krallen kratzten auf der anderen Seite über Rost. Die Dämonen waren noch immer dort draußen. So bald würden sie aus dieser Falle nicht herauskommen. Hoffentlich gaben die Biester überhaupt irgendwann auf.
Als er sich wieder Amanda zuwandte, stand sie immer noch an derselben Stelle, so weit von ihm entfernt, wie es in dem kleinen Raum möglich war, die Taschenlampe gen Boden gerichtet. So konnte das nicht weitergehen. Er holte tief Luft. »Es tut mir leid.«
Sie nickte knapp, mit verschlossener Miene. Dann noch einmal etwas freundlicher. »Ich schätze, du konntest nicht ahnen, dass ich das nicht freiwillig mache.«
»Ich wusste nicht, dass Dämonen Menschen auch in ihre Dienste zwingen können.« Erlaubte der Waffenstillstand das überhaupt? Jul war sich nicht sicher, ob man damals bei den Verhandlungen viel an das Wohl der Menschen gedacht hatte. Die Vereinbarung zwischen Engeln und Dämonen konzentrierte sich vor allem darauf, dass man verborgen bleiben musste und dass sich keine Seite allzu direkt in die Geschicke der Menschheit einmischen durfte.
»Ganz offensichtlich können sie genau das.« Amanda verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen die Wand. »Aber es sieht so aus, als wüssten wir beide ein paar Dinge nicht, die der
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