Aeternum
andere weiß. Wie wäre es mit einem Austausch, während wir eh hier festsitzen?«
Jul zögerte. Worauf spielte sie an? Was wollte sie von ihm wissen?
»Ich habe leider keine Waffe, um dich dazu zu bringen, mir irgendetwas zu verraten«, fuhr Amanda fort, ein alles andere als freundliches Lächeln auf den Lippen. »Aber das nächste Mal, wenn du in ein Loch trittst, könnte ich einfach dabei zusehen, wie du hineinfällst, anstatt dich festzuhalten. Ich denke, unsere Überlebenschancen hier unten sind höher, wenn wir zumindest versuchen, miteinander auszukommen. Und ich denke, als Zeichen deines guten Willens und im Sinne einer künftigen guten Zusammenarbeit könntest du mir erklären, was du da vorhin über Gott gesagt hast.«
Jul nickte. Das war zwar nicht sein Lieblingsthema, aber eines, über das er reden konnte. Außerdem würde sie ihrem Herrn nichts Neues erzählen, wenn sie diese Informationen an ihn weitergab. Doch gleichzeitig musste er unbedingt mehr über Amanda erfahren. Woher stammte ihre Magie, wenn nicht von einem Dämon, wie er immer geglaubt hatte? Natürlich durfte er keine persönlichen Fragen stellen, solange er nicht auch welche beantworten wollte. Dennoch konnte er sie auf diese Art vielleicht besser einschätzen lernen. »Erzähl mir von deiner Magie, und ich erzähle dir vom Verschwinden des Herrn.«
14
A manda saß auf ihrem Rucksack an der Wand des kleinen Wartungsraums und atmete möglichst flach. Die Kadaver der toten Rattenviecher stanken nach verbranntem Fleisch. Draußen kratzten ihre Artgenossen noch immer an der Tür. Insgesamt keine gemütliche Lagerfeueratmosphäre.
Die Taschenlampe lag zwischen ihnen auf dem Boden, tauchte Juls Gesicht in Schatten, während er ihr gegenüber nach einer gemütlichen Sitzposition suchte.
»Warum muss ich eigentlich anfangen?«
»Weil meine Geschichte komplizierter ist. Lass mich noch eine Weile darüber nachdenken, wie ich sie erzähle.«
Amanda schnaubte. »Wer sagt mir, dass du überhaupt noch irgendwas erzählst, sobald du weißt, was du wissen willst?«
Jul seufzte. »Du hast doch vorhin selbst von guter Zusammenarbeit geredet. Wenn wir einander nicht mal genug vertrauen, um Informationen auszutauschen, werden wir hier wirklich nicht überleben.«
Wo er recht hatte … Amanda biss sich auf die Unterlippe, versuchte das nervenzehrende Kratzen an der Tür auszublenden. Dahinter glaubte sie auch immer noch das Rumpeln fallender Steine zu hören. Sie schauderte, schlang die Arme um die Knie. Nur nicht an den Mann in der orangefarbenen Weste denken.
»Also, was genau willst du wissen?« Immerhin, wenn sie seine Fragen beantwortete, lenkte das ihre Gedanken in andere Bahnen.
»Woher deine Magie kommt, wenn nicht von einem Dämon.«
Amanda zuckte mit den Schultern. »Sie war schon immer da, schätze ich. Ich habe es nur lange nicht bemerkt.«
»Du wurdest damit geboren?« Jul klang ungläubig, doch seine schattenhaften Züge verrieten wenig. Strähnen weißblonden Haars hingen ihm in die Augen, ohne dass er Anstalten machte, sie fortzuwischen. Amanda konnte nicht einmal genau sagen, ob er sie ansah oder zu Boden starrte.
»Na, ich habe auf jeden Fall keine seltsamen Rituale abgehalten, um sie zu bekommen. Ich habe das erste Mal einen Dämon gesehen, als wir aus Versehen in das Haus von einem eingebrochen sind.« Ihre Stimme wurde rauh bei der Erinnerung, aber selbst daran zu denken war besser als … Nein. Mit aller Willenskraft unterbrach sie den Gedankengang.
»Wen meinst du mit ›wir‹?« Jul lehnte sich vor, und nun blitzten seine Augen im schwachen Lampenschein. Eisblau, stellte Amanda abwesend fest, aber sie blickten nicht unfreundlich. Überheblichkeit und Misstrauen waren vollständig daraus verschwunden.
»Meinen Bruder und mich. Wir waren Einbrecher. Bis vor einem Jahr.«
»Ich schätze, dafür sollte ich dankbar sein. Wenn du das Schloss der Tür nicht geknackt hättest, hätten uns die Dämonen dort draußen wohl längst zerfleischt.«
Amanda spähte zwischen ihren Locken zu dem Engel hinüber. Sollte das so etwas wie ein Kompliment sein? Lächelte er vielleicht sogar? Als hätte er diesen Gedanken gehört, lehnte Jul sich wieder zurück, und sein Gesicht verschwand im Schatten.
»Ihr seid also in das Haus eines Dämons eingebrochen. Das deines jetzigen Meisters?«
Sie nickte, zögerte dann. Sollte sie die ganze Geschichte erzählen? Vor ihrem inneren Auge erschien das Bild von Balthasars Liste, eingebrannt in
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