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Aeternus - Eisiger Kuss: Roman (German Edition)

Aeternus - Eisiger Kuss: Roman (German Edition)

Titel: Aeternus - Eisiger Kuss: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracey O´Hara
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einer alten Eiche huschte.
    Sie empfand die vielen Einzelheiten, die sie nun erkennen konnte, als Furcht einflößend. Von den Mustern im Blattwerk bis zu den Einzelheiten der Ziegelmauern sah sie alles mit nie dagewesener Deutlichkeit. Die Herbstblätter raschelten auf dem Boden, als der sanfte Wind sie beiseiteblies; die Eiche knarrte und ächzte in einer eigenen Sprache, und die Nacht war voller Schönheit und Leben.
    »Gefällt es Ihnen?«, fragte Lucian und lächelte.
    »Ja«, flüsterte sie und bemerkte umso mehr, je genauer sie hinsah und lauschte. »Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich mich für eine Weile hier hinsetze? Ich möchte gern …« Sie zuckte mit den Schultern. »Sie wissen schon.«
    »Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen.« Lucian lächelte. »Der Doktor würde mir die Haut vom Leib ziehen, wenn er wüsste, dass ich in dieser kalten Nachtluft herumspaziere.«
    »Lucian«, rief sie ihm nach, als er davonging.
    Er drehte sich um.
    »Danke.«
    Fragend hob er eine Braue. »Wofür?«
    »Für alles«, sagte sie und trat auf ihn zu. »Dafür, dassSie mich bei sich wohnen lassen, dass Sie mir Raum zum Atmen geben, und dass Sie nicht nach Christian fragen.«
    »Wenn Sie dazu bereit sind, werden Sie mir alles sagen«, meinte er. »Und wenn nicht« – er zuckte mit den Schultern – »dann geht es mich halt nichts an.«
    Sie war dankbar für seine Freundlichkeit, und eines Tages würde Antoinette sie ihm vergelten. Sie musste sich nur noch überlegen, wie.
    Antoinette saß stundenlang verloren in ihrer neuen Welt der Wunder. Sie hörte und sah alles – von der großen Eule, die in der alten Eiche hockte, bis zu den winzigsten Käfern, die durch das Gras und die Blätter am Boden krochen. Die Nacht sprach zu ihr auf eine Weise, wie sie es nie zuvor getan hatte. Ihr war schwindlig, fast so, als hätte sie Drogen genommen.
    Die Nacht ging rasch vorbei, während Antoinette im Garten saß, und bevor sie es bemerkt hatte, wurde der Himmel im Osten heller. Das Knirschen und Knarren der Eiche und des Hauses, das vorhin noch sehr musikalisch geklungen hatte, wurde nun grell und verursachte ihr Zahnschmerzen. Auch das Rascheln der Blätter wurde zu laut. Alles schien zu lärmen, und bald hatte sie pochende Kopfschmerzen. Als der östliche Himmel eine rosige Färbung annahm, begab sie sich nach drinnen und ging zu Bett. Ihr Leben würde nie wieder so sein wie früher.
    Antoinette zog sich das Kissen über den Kopf und weinte sich über das, was sie verloren hatte, in den Schlaf.
    ◀   ▶
    Am folgenden Abend quälte sie der Hunger. Sie war vor Sonnenuntergang erwacht, hatte sich davor gefürchtet, das Zimmer zu verlassen, und war auf und ab gelaufen. Schließlich ertrug sie es nicht länger und ging zur Tür. Die Klinke zerbrach unter ihren Fingern, und sie riss die Türaus den Angeln. Dabei hatte sie nicht einmal kräftig gezogen. Das Licht schien viel zu grell zu sein, und als sie an der Standuhr in der Diele vorbeiging, war das Ticken ohrenbetäubend.
    »Es tut mir leid, aber zu spät zu kommen, scheint mir zur Gewohnheit zu werden«, sagte sie, als sie das Esszimmer betrat.
    Lucian wischte sich mit der Serviette über den Mund und stand auf. »Das war zu erwarten, denn Sie sind jetzt eine Kreatur der Nacht. Sie werden bald wieder zu Kräften kommen und auch während der Tagesstunden aufstehen können.«
    Abermals setzte sie sich ihm gegenüber, aber diesmal waren das Klappern des Bestecks auf seinem Teller und das Klirren des Glases fast zu viel für sie. Unruhig rutschte sie auf ihrem Stuhl hin und her.
    Als er zu Ende gegessen hatte, schob er seinen Stuhl zurück. »Kommen Sie, ich will Ihnen etwas Besonderes zeigen.«
    Er führte sie durch den Garten zu einem großen Gewächshaus. Drinnen war die Luft stickig vor feuchter Erde, Regen und verwesenden Pflanzen, wozu sich der Duft von Blumen und anderen Gewächsen gesellte. Liebevoll berührte Lucian die einzelnen Pflanzen, als sie an ihnen vorbeikamen: Orchideen, Veilchen und Rosen waren die am leichtesten zu erkennenden unter den vielen Arten, die hier wuchsen.
    »Hier entlang.«
    Lucian geleitete sie in einen anderen warmen und feuchten Raum, der mit großblätterigen Pflanzen aus dem Regenwald angefüllt war. Dann erreichten sie einen Raum in der Mitte des gewaltigen Glashauses. Er legte die Hand auf einen Scanner, und mit einem Klicken öffnete sich die Tür.
    Hier wuchs eine Rose, wie Antoinette noch nie eine gesehen hatte. Sie hielt den Atem an

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