Aeternus - Eisiger Kuss: Roman (German Edition)
indem sie die Vampire als Helden darstellten, die eine Welt des Bösen bekämpften. Das war beinahe noch schlimmer. Jeder Spinner wollte zum Vampir werden, und viele starben bei dem Versuch.
Doch das Buch, mit dem alles angefangen hatte – Bram Stokers Dracula – basierte tatsächlich auf dem schrecklichsten aller Nekrodrenier, der auf dem europäischen Kontinent großes Unheil angerichtet hatte.
Antoinette stand vom Sofa auf und wandte sich den Bücherregalen hinter ihr zu, die bis unter die Decke reichten. Hier befanden sich vor allem Lexika und Geschichtswerke, aber es gab auch eine kleinere Literaturabteilung mit Bänden von Edgar Allen Poe, Shakespeare und Robert Louis Stevenson – nur Klassiker, nichts Zeitgenössisches. Antoinette fuhr mit dem Finger über die Rücken, zog hier und da ein Buch heraus und blätterte es durch.
Dann stieß sie auf einen Band, bei dessen Anblick sie erstarrte. Er war in altes Leder gebunden und wirkte sehr vertraut auf sie, denn er sah aus wie ein Buch, das sie kürzlich bei ihrem Onkel gesehen hatte. Es trug sogar das Familienwappen auf dem Rücken. Sie zog es aus dem Regal. Das Wappen schmückte den Vorderdeckel, aber statt der Initialen NP stand dort EP.
Als sie die erste Seite aufschlug, fand sie den Grund dafür heraus. Es gehörte Emil Petrescu – dem Verräter.Den Text verstand sie nicht, denn er war in der Sprache ihrer rumänischen Vorfahren geschrieben. Sie sprach zwar ein wenig Rumänisch, sodass sie ihren Onkel zu verstehen vermochte, aber sie konnte es nicht lesen.
Irgendwo ging eine Alarmsirene los, und sie ließ das Buch fallen.
Dante.
Sie wirbelte herum, erstarrte; ihr Blut gefror.
Er stand in der Tür und beobachtete sie. »Ich hatte ja gehofft, dass ich noch ein wenig Zeit mit dir verbringen kann, aber das hier ist viel besser, als ich zu träumen gewagt habe.«
»Lucians Sicherheitsleute werden in einer Minute hier sein«, sagte Antoinette, nachdem ihre anfängliche Überraschung verflogen war. Sie hatte gewusst, dass er kommen würde; sie hatte sogar auf ihn gewartet.
Sein grausames Lachen brachte ihre Zuversicht zunächst ins Wanken. Aber nun war sie eine andere. Sie war stärker als je zuvor. Einmal hätte er sie beinahe getötet, aber sie würde nicht zulassen, dass er irgendjemandem in diesem Haus etwas antat. Sie mochte zwar nur eine frischgebackene Aeternus sein, während er schon viele Jahrhunderte alt war, aber sie besaß etwas, das die meisten anderen neu Umschlungenen nicht hatten: eine Ausbildung zur Venatorin.
Als er gelassen auf sie zukam, ging sie in die Hocke und bereitete sich auf den Kampf vor. Sie konnte nicht einfach auf Dante zustürmen, denn dann wäre sie nicht mehr im Vorteil. Nein, sie musste warten, bis er den ersten Zug machte.
Ihre neue Zuversicht schien ihn zu überraschen. Er blieb stehen, hielt den Kopf schräg und betrachtete sie eingehender. Sein allzu siegesgewisses Lächeln, das sie verunsichern sollte, wich ein wenig.
Schritte ertönten draußen auf dem Gang und näherten sich der Bibliothek. Als Lucian das Zimmer betrat, drehte sich Dante um.
»Lu…«, konnte Dante gerade noch sagen, bevor Lucian ihn erschoss.
Der wahnsinnige Aeternus fiel wie ein Stein zu Boden und lag unbeweglich einige Fuß von Antoinette entfernt. Lucian schoss erneut.
Antoinette lockerte ihre angespannten Muskeln, eilte auf Lucian zu und umarmte ihn. »Gott sei Dank, Ihnen ist nichts passiert.«
Sie hockte sich neben Dante und fühlte nach seinem Puls, der unter ihren Fingerspitzen noch sehr langsam und stetig schlug.
Gut. Sie wollte, dass dieser Bastard für seine Verbrechen bezahlte.
»Er lebt noch«, sagte sie, ohne aufzuschauen.
»Ich weiß«, erwiderte Lucian mit tonloser Stimme.
Etwas rammte ihre Schulter und warf sie nach hinten. Kälte erfasste ihren Arm und breitete sich rasch im ganzen Körper aus. Sie sackte auf dem Boden zusammen, und ihr wurde schwarz vor Augen.
30 RATTEN IM LOCH
Antoinette öffnete die Augen. Sie lag noch auf dem Fußboden der Bibliothek. Sie versuchte aufzustehen. Aber es ging nicht, sie war gelähmt. Sie versuchte ihre Beine zu bewegen. Nichts. Nicht einmal die Zehen reagierten. Sie versuchte die Hände gegen die Wand zu stützen, um sich hochzudrücken. Wieder nichts. Ihre Arme lagen still da und gehorchten ihrem Geist ebenso wenig wie der Rest ihres Körpers. Panik stieg in ihr auf.
Was ist mit mir passiert? Vielleicht handelte es sich um eine Nebenwirkung ihrer Verwandlung.
Der
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