Aeternus - Sanfter Tod: Roman
kann?«
»Sie will ihn«, sagte Gideon über die Schulter. Er drückte die Klinge fester gegen ihre Kehle und hielt den Kopf schräg, als würde er auf etwas lauschen, das Kitt nicht hören konnte.
Sie versuchte den Kopf zu drehen, aber die Klinge schnitt sofort tiefer, und ein warmes Rinnsal lief über ihre Schulter.
»Nein«, versetzte Gideon. »Sag das nicht.«
»Was?«, fragte sie.
Sein Blick konzentrierte sich wieder ganz auf sie. »Er sagt, du bist eine verdorbene Hure, eine Verführerin der Männer. Du musst geopfert werden.«
Angst schnürte ihr die Brust zusammen. »Wer sagt das? Nathan?«
Gideon runzelte die Stirn. »Nein, Ealund.«
Ealund? »Teilt er mit dir den Körper, genau wie Nathan?«
Er grinste, als wäre sie eine Idiotin. »Er steht direkt hinter dir.« Als sie über die Schulter zu blicken versuchte, wurde sein Grinsen noch breiter.
Diesmal erlaubte er es ihr, aber dort war nur die leere Höhle.
»Da ist niemand.«
»Es ist egal, ob du ihn sehen kannst oder nicht, denn er sieht dich.« Gideons dunkles Grinsen wurde unerträglich.
Es muss noch eine dritte Persönlichkeit geben. Das ist die einzige Erklärung.
Vielleicht hatte sein verdrehter Verstand Halluzinationen entwickelt. Sie spürte eine kalte Brise an ihrem Arm, es gab aber keinen Luftzug in dieser Höhle. Sie bekam eine Gänsehaut.
»Kannst du Ealund für mich eine Frage stellen?« Sie wollte ihn bei Laune halten.
»Stell die Frage selbst. Er kann dich hören.«
Eine eisige Brise küsste ihre Wange. Sie zuckte vor der unsichtbaren Berührung zurück und drehte sich um. Nichts. Da war überhaupt nichts, und doch …
»Wer bist du?« Diesmal verriet Kitts Stimme ihre Nervosität.
»Das habe ich dir doch schon gesagt: Ealund«, antwortete Gideon.
Na gut, dann anders. »Was bist du?«
Es entstand ein Schimmern in der Luft, und sie hatte den Eindruck, als ob plötzlich Lachen die Höhle erfüllen würde, obwohl sie nichts hörte.
»Er sagt, du weißt, was er ist«, befand Gideon und drückte ihr wieder das Messer gegen die Kehle. Das Silber brannte.
Kitt rückte ein wenig näher an den Mann heran, der ihr Bruder war – und der es zugleich nicht war.
»HALT!«, schrie er und drehte ihr den Arm hinter den Rücken. Die Silberklinge versengte ihr weiterhin den Hals.
Die Mädchen waren Schritt für Schritt an den Tunnel herangerückt, in dem Raven und Tyrone verschwunden waren, doch sie erstarrten, als Gideon es ihnen befahl.
»Hemmerschnur nehmen und fesseln«, zischte er Kitt ins Ohr.
»Was?«, fragte sie und sah die Zwillinge an, die genauso verwirrt waren wie sie selbst.
»Nimm die Schnur und binde dir damit die Handgelenke zusammen.« Seine Stimme nahm eine panische Färbung an.
Kitt versuchte einen Schritt zu machen, aber sein Griff wurde fester. »Was hast du vor?«
»Das, was du gesagt hast.«
»Nein, nicht das Du, sondern das Du da hinten.« Er deutete mit dem Messer auf die Zwillinge.
Sie begriff, dass er die Zwillinge und sie als ein und dieselbe Person betrachtete. Er war verrückt.
Kitt musste Zeit gewinnen. »Darf ich mit Nathan reden?«
»Nein«, fuhr der Mann sie an. »Jetzt wird getan, was ich gesagt habe.«
»Bitte! Ich muss wirklich dringend mit meinem Bruder reden.«
Die Luft um sie herum bewegte sich, Kühle zog an ihr vorbei.
»Nein. Ich habe hier das Sagen, nicht er«, sagte Gideon. »Zwinge mich nicht, ihn herauszulassen. Ja … ja … nein. «
Es war, als würde sie einer Seite eines Telefongesprächs lauschen.
»Ich weiß, dass ich jetzt stärker bin, aber … ich verstehe.«
Gideon stieß sie den Zwillingen entgegen. »Handgelenke fesseln«, sagte er zu den Mädchen.
Sie hätten weglaufen sollen, als sie noch die Gelegenheit dazu gehabt hatten. Kitt streckte die Arme aus und ließ es zu, dass Cal ihr die Handgelenke zusammenband. Nun konnte sie sich nicht mehr verwandeln.
Aber sie war sich sicher, dass sie hier nicht durch Stärke und Kampfkraft gewinnen konnte. Es bedurfte mehr als brutaler Gewalt, um aus dieser Lage herauszukommen. Sie musste Nathan zurückholen. Vielleicht war er einsichtig.
»Bitte« – sie versuchte die erstickende Panik aus ihrer Stimme herauszuhalten – »ich muss mit Nathan reden.«
»Nein, ich …« Er verstummte.
»Gideon ist nutzlos.« Kitt erkannte Nathans Stimme sofort.
Sie spürte geradezu den Unterschied in der Art, wie er sie festhielt. Gideon drückte seinen ganzen Körper gegen sie, während Nathan sie möglichst wenig zu berühren
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