Aeternus - Sanfter Tod: Roman
zitterte im Schock und schaute sich immer wieder entsetzt um. Der fallende Schnee war wie einGottesgeschenk, denn er verlangsamte den Blutfluss, während Kitt den behelfsmäßigen Verband anlegte. Sie hörte, wie sich Antoinette hinter ihr näherte.
»Damit sollte die Blutung erst einmal gestillt sein«, sagte Kitt und drehte sich um. »Aber wir müssen sie für eine Transfusion ins Krankenhaus bringen, und zwar so …«
Es war nicht Antoinette. Ein weiterer Drenier ragte über ihr auf und leckte sich die Lippen, die bereits mit trocknendem menschlichen Blut beschmiert waren. Gierig beäugte er die frischen roten Tropfen im Schnee.
»He!«, rief Antoinette, die noch neben der toten Drenierin hockte.
Er richtete seine Aufmerksamkeit kurz auf den Ursprung der Stimme und dann wieder auf den blutdurchtränkten Stoff am Handgelenk der Menschenfrau. Kitt sah, wie sein Verlangen nach Flucht mit dem Drang zu töten und zu trinken rang. Sie stellte sich vor die Frau. Zuerst müsste er Kitt überwinden.
Aber schließlich siegte die Angst. Er sprang über den Müllcontainer hinweg zu einer Feuerleiter und hüpfte von Stockwerk zu Stockwerk in Richtung Dach. Antoinette hastete an Kitts Seite und sah zu, wie er über das Dach verschwand.
»Ihm nach!«, schrie Kitt sie an. »In diesem Zustand der Blutlust darf er nicht entkommen.«
Die Aeternus schüttelte den Kopf. »Ich kann Sie nicht hier allein lassen.«
»Er wird wieder töten, wenn Sie ihn nicht einfangen. Machen Sie sich um mich keine Sorgen. Ich rufe Oberon zur Verstärkung. Gehen Sie endlich!«
Antoinette trat auf die Feuerleiter zu und drehte sich um. »Und was ist, wenn noch mehr von ihnen in der Nähe sind?«
»Glauben Sie das?«
Antoinette sog prüfend die Luft ein. »Nein.«
»Dann gehen Sie. Halten Sie ihn davon ab, weiterzutöten.«
Stumm folgte Antoinette dem Drenier über die Feuerleiter.
5 IN DIE HÖHLE DES LÖWEN
Antoinette erreichte das Dach und schaute hinunter auf die Felierin. Kitt schien alles unter Kontrolle zu haben, und sie hatte recht. In seinem gegenwärtigen Zustand der Blutlust würde der Drenier vermutlich den nächsten Menschen töten, der ihm begegnete, wenn sie ihn nicht vorher schnappte.
Auf den Dächern umtoste sie der Schneesturm, aber sie spürte diese eisige Berührung nicht mehr. Erregung pulste in ihrem Bauch. Es war ihre erste Jagd – zumindest seit ihrer Umschlingung vor vielen Monaten. Wie sehr sie diese Erregung vermisst hatte!
Damals, als sie noch ein Mensch gewesen war, hätte sie es niemals geschafft, mit zwei Dreniern gleichzeitig fertigzuwerden. Ohne eine Pistole mit Silbernitratladung auf die Jagd zu gehen, wäre reiner Selbstmord gewesen. Aber jetzt …
Jetzt ist alles anders.
Jetzt konnte sie sich ganz auf ihr Lieblingsschwert, auf ihr Geschick und ihre neuen Aeternus-Fähigkeiten verlassen, gegen die sie zunächst so erbittert angekämpft hatte. Und zum ersten Mal konnte sie herausfinden, wozu sie mit ihrem neuen Aeternus-Körper in der Lage war.
Der Drenier war verschwunden, aber sein fauliger Gestank war wie ein Neonschild: »Schlimmer Junge – hier entlang.«
Doch in diesem starken Schneefall konnte sie ihn leichtverlieren, wenn sie sich nicht beeilte. Antoinettes Überquerung des Dachs dauerte nur einen halben Herzschlag. Sie folgte dem Drenier-Geruch zum Rand des Gebäudes. Zwischen ihm und dem nächsten Haus klaffte eine zwölf Fuß breite Schlucht. Sie machte einige Schritte zurück, katapultierte sich in die Luft, landete auf dem angrenzenden Gebäude und rannte weiter die Fährte entlang.
Verdammt, macht das Spaß.
Er war nach links abgebogen und in eine Gasse hinuntergesprungen. Antoinette hüpfte einfach von dem vielstöckigen Haus und sackte auf den schmutzigen Boden; den Aufprall federte sie ab, indem sie die Knie beugte. Dann rannte sie weiter. Als Mensch wäre ihr so etwas niemals möglich gewesen.
Er versuchte mehrfach, sie abzuschütteln, indem er Haken schlug oder wieder auf Hausdächer sprang, aber es gelang ihr stets, auf seiner Spur zu bleiben. In den zehn Jahren als Venatorin hatte sie viel über die hinterhältigen Kniffe der Drenier gelernt.
Nachdem sie einige Minuten lang auf Hausdächer gesprungen war und sich wieder in die Tiefe gestürzt hatte, entdeckte sie ihn, als er sich gerade in einen Hintereingang stahl. Das von Kakerlaken verseuchte Stundenhotel stank nach saurem Menschenschweiß, abgestandenem Sex und Weihrauch. Das alles verwirrte ihre Sinne und
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