Aeternus - Sanfter Tod: Roman
Tür nach innen auf, und das Holz um den Riegel des Schlosses zersplitterte. Drinnen war es finster – als ob das sie hätte aufhalten können. Sie war keine schwache menschliche Venatorin mehr. Ihre Augen gewöhnten sich rasch an den Lichtmangel.
Sie ging in die Mitte des scheinbar verlassenen Zimmers und wusste, dass er hinter der Tür auf sie wartete. Aber sie war ihm mehr als ebenbürtig.
Die Tür wurde zugeschlagen. Sie packte den Griff ihres Schwerts fester, drehte sich um und stellte sich ihm entgegen.
Er grinste krank. Sprenkel des getrockneten Menschenbluts umrahmten seinen Mund, sodass er wie ein Clown aussah – von der Art, die Kinder schreiend vor Angst unter das Bett trieb.
Antoinette zog das Schwert aus der Scheide. »Nun denn, Kleiner, da bist du ja …«
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Kitt drückte weiterhin gegen die Wunde. Sie war nicht so schlimm, wie sie zuerst ausgesehen hatte, aber alles hing davon ab, wie viel Blut der Frau ausgesaugt worden war. Auf ihren Wangen zeigte sich noch eine Spur von Farbe, und die bläulichen Lippen rührtem eher von der Kälte als vom Blutverlust her.
Kitt legte die bewusstlose Frau auf den Boden, zog ihre Jacke aus und wärmte sie damit. Die Beine der Frau legte sie auf einige alte Kartons aus dem Abfall. Nachdem Kitt die Wunde unter dem Schal noch einmal betrachtet hatte, fischte sie mit der einen Hand ein Handy aus ihrer Hosentasche, während sie die andere wieder gegen das verletzte Handgelenk presste.
Als sie gerade die zweite Taste drückte, schlug etwas gegen ihre Hand, und das Telefon flog davon. Sie wirbelte herum, wollte ihre Patientin verteidigen und warf sich über sie.
Nichts. Niemand.
Der heftige Schneefall verringerte die Sicht bis auf ein paar Fuß. Ihre Nackenhaare richteten sich auf. Sie waren nicht allein. Die Frau ächzte, als sie allmählich das Bewusstsein wiedererlangte. Plötzlich öffnete sie die Augen.
»Pst«, machte Kitt und legte die unverletzte Hand der Menschenfrau auf den Schal. »Sie müssen kräftig dagegen drücken.«
Die verängstigte Frau sah sich wild um; Panik lag in ihrem Blick. Ihre Zähne klapperten in der Kälte, Schockzittern setzte ein. Kitt musste sie unbedingt wärmen und aus dem Schnee ziehen. Aber niemand würde sie hören, wenn sie um Hilfe rief – nicht in diesem Schneetreiben.
»Können Sie mich hören? Alles in Ordnung?«, fragte Kitt. Sie bezwang ihre eigene Angst und schnippte vor dem Gesicht der Frau mit den Fingern. »Sehen Sie michan. Sehen – Sie – mich – an! Es wird alles gut, ich bin Ärztin. Haben Sie verstanden?«
Die Frau richtete den Blick auf Kitt, und ihre Zähne klapperten noch stärker, als sie zitternd nickte.
»Gut.« Kitt stieß einen Seufzer aus. »Drücken Sie weiter. In Ordnung?«
Die Frau nickte erneut.
»Ich muss die Sanitäter rufen.« Und andere Hilfe.
Kitt versuchte, ruhig zu sprechen und eine gelassene Miene aufzusetzen. Sie wollte ihre Patientin nicht erschrecken. Die dunkle Gasse erschien ihr nun viel gefährlicher als noch vor wenigen Minuten, und sie wünschte, sie hätte Antoinette nicht weggeschickt.
Die Frau machte den Mund auf und schloss ihn rasch wieder. Ihre Augen wurden unglaublich groß, während die Schneeflocken auf ihren Wangen schmolzen. »Bitte«, krächzte sie, »bitte lassen Sie mich nicht allein.«
»Nicht reden. Ich gehe nicht weit weg.« Kitt stand auf und ging zu der Stelle, wo ihr Handy gelandet war.
Nichts bewegte sich. Aber der unbarmherzige, kalte Griff der Angst ließ nicht nach. Ihre Hände bebten, als sie sich bückte, um das Telefon aufzuheben. Etwas warf sie gegen die Mauer. Die Wucht des Aufpralls trieb ihr die Luft aus der Lunge und überzog sie mit Eis und Splittern aus dem zerschellten Mauerwerk. Benommen setzte sie sich auf und wurde kurz darauf grob auf die Beine gestellt, bevor sie durch die Luft geschleudert und gegen die Wand auf der anderen Seite geworfen wurde.
Es dauerte einige Sekunden, bevor die blitzenden Sterne verschwanden und sie wieder normal sehen konnte. Als sich nicht mehr alles um sie drehte, bemerkte sie, dass die Gasse wieder einmal leer war. Der fallende Schnee hatte rasch alle Fußspuren beseitigt.
Kitt war keine Kämpferin, sondern Ärztin, und auf soetwas war sie nicht vorbereitet. Starr vor Entsetzen lag sie da. Doch als sie an ihre hilflose und ungeschützte Patientin dachte, veränderte sich plötzlich alles. Zum zweiten Mal in dieser Nacht erwachte in ihr die Wildheit, die lange geschlafen hatte – die Natur
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