Aeternus - Sanfter Tod: Roman
ihm.
Antoinette versuchte beide Männer im Blick zu behalten, ohne ihnen Gelegenheit zum Angriff zu geben. Der Kleine sprang auf sie zu, brach aber in letzter Sekunde ab. Es war ein Ablenkungsmanöver gewesen. Das verschaffte dem Tätowierten genug Zeit, eine Waffe zu packen. Es war ein Schwert, das dem von Antoinette glich. Als er es herumwirbelte, war deutlich zu erkennen, dass er wusste, wie man es benutzte. Der Gestank, der von ihm ausging, verriet ihr, dass er sich heute Nacht schon genährt hatte; also würde er sehr schnell sein.
»Schön, schön. Die große Antoinette Petrescu ist jetzt eine von uns«, sagte der Tätowierte.
»Ich bin nicht wie ihr!«, spuckte sie aus und fragte sich, woher er ihren Namen kannte.
Der Kleine hielt inne und starrte sie mit offenem Mund an.
»Noch nicht, aber bald. Geduld war nie eine deinerStärken«, sagte der Tätowierte. »Warte, bis der Hunger so stark wird, dass du an nichts anderes mehr denken kannst. Er wird dich auffressen.«
»Bin schon da gewesen, hab’s gesehen …«
»… und das T-Shirt gekauft«, beendete er Antoinettes versuchten Witz und wirbelte sein Schwert in der Luft herum. »Du erkennst mich wirklich nicht, oder, Antoinette?«
»Aber sicher doch – du bist wie jedes andere Stück Drenier-Scheiße, das ich in den letzten Jahren erledigt habe.«
»Das tut mir weh – nach allem, was wir in Reno miteinander geteilt haben. Aber ich vermute, das ist schon zu lange her«, sagte er und hob die Spitze seines Schwerts.
Verdammt, das ist unmöglich.
Ihr Blick fiel auf seine rechte Schulter. Da war sie, fast untergegangen in all der verschlungenen Körperkunst: die eintätowierte Karikatur eines grinsenden Schädels mit Vampirzähnen. Ein Schwert durchstach die eine Augenhöhle, und eine Rose war um den Griff gewunden.
»J.J.?« Ungläubig keuchte sie den Namen.
Er war einen Jahrgang über ihr an der Petrescu-Ausbildungsschule gewesen, obwohl sie fünf Jahre jünger als er war. Damals hatte sie für ihn geschwärmt, nicht weil sie in ihn verliebt gewesen wäre, sondern weil er so große Fähigkeiten besessen hatte. Einige Jahre später hatten sich ihre Wege wieder gekreuzt, als sie denselben Drenier gejagt hatten. Da war er noch ein Mensch gewesen – genau wie sie. »Was ist mit dir passiert? Du warst einer der besten.«
Er lächelte. »Das stimmt, Kleines. Erinnerst du dich an dieses Wochenende? Ich bin zwei Tage, nachdem du mich in dem Hotelzimmer allein gelassen hast, verwandelt worden.«
Nachdem sie damals den Drenier und die Beute eingeheimst hatte, hatte sie J.J. einen Trostpreis verliehen: ein Wochenende voller Alkohol, Party und Sex. Es war ein kurzes Zwischenspiel unter Venatoren gewesen. Was immer sie damals geteilt hatten, würde sie nun nicht davon abhalten, ihn zu töten, denn jetzt war er ein schmutziger, mörderischer Drenier.
Während J.J. mit ihr gesprochen hatte, war der Kleine näher an sie herangekrochen. Sie sah ihn aus dem Augenwinkel, kurz bevor er von links auf sie zusprang und sie zwang, einen Schritt in das Schlafzimmer zu machen. Hier hatte sie nicht genug Platz, um ihr Schwert zu schwingen; sie konnte bloß treten. Antoinette stieß ihm den Fuß in die Brust, und er flog gegen die Wand hinter ihm.
Sentimentale Gefühle hielten auch J.J. nicht davon ab, mit seinem Schwert auf sie einzuschlagen. Sie sprang gerade noch rechtzeitig zurück, ehe die Spitze in ihren Bauch eindringen konnte, und schlug die Zimmertür zu. Sein Arm war zwischen ihr und dem Rahmen eingeklemmt. Er war gezwungen, seine Waffe fallen zu lassen. Sie schob den Zeh unter das Schwert, warf es in die Luft und fing es mit der linken Hand auf.
Nun hatte sie beide Waffen. Sie wirbelte die neue mit einer raschen Bewegung herum. Schön. Beide waren perfekt ausbalanciert, was nicht überraschend war, da sie vom selben Meister stammten.
Warum hatte sie noch nie daran gedacht, zwei Schwerter gleichzeitig zu benutzen? Weil es damals nicht praktisch gewesen wäre. Sie hatte eine freie Hand für ihre Pistole gebraucht. Aber jetzt kam es ihr einfach … richtig vor.
Der Kleine duckte sich nach links, hob ein zerbeultes Metallregal auf und schwang es auf ihren Kopf zu. Antoinette sprang über einige Möbel zurück und stieß das Bett mit dem Fuß nach vorn. Es prallte gegen die Knie des Kleinen; seine Knochen zerbrachen unter dem Aufschlag, und er sackte auf die schmutzigen grauen Laken. Fast sofort stand er wieder auf; seine Knochen knackten, während sie
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