Aeternus - Sanfter Tod: Roman
das wie kein anderes war.«
»Warum haben wir nichts davon gehört?«, fragte Antoinette.
»Der Inhalt des Buchs wurde auf Anordnung des Rats der Aeternus-Ältesten geheim gehalten«, sagte der alte Mann.
»Warum?«, wollte Antoinette wissen.
Der alte Mann bedachte sie mit einem starren, durchdringenden Blick. »Wie ich sehe, müssen Sie die Tugend der Geduld noch erlernen.«
Antoinette setzte sich unter diesem Tadel ihres früheren Lehrers ein wenig aufrechter hin. Sogar Oberon beugte sich nun vor; er wollte der Theorie dieses alten Menschen noch einmal genau zuhören. Rudolf legte beide Hände auf die Krücke des Spazierstocks vor sich und fuhr fort:
»Wie ich gerade ausführen wollte« – er warf Antoinette einen strengen Blick zu – »handelte es sich um das Grab eines alten Aeternus-Königs. Das Buch ist in einer paramenschlichen Sprache verfasst und beschreibt eine Macht, die so gewaltig ist, dass das bloße Wissen um sie die Welt, wie wir sie kennen, in den Abgrund stürzen könnte.«
Rudolf war ein Meister der Theatralik. Er schwieg einen Moment, damit diese Information in seine Zuhörer einsinken konnte. Oberon musste diesen alten Mann einfach bewundern – er wusste, wie er sein Publikum bei der Stange hielt. Alle saßen gebannt da und hingen an seinen Lippen.
»Vor einigen Jahrzehnten verschwand das Buch aus den gesicherten Gewölben des RaMPA-Hauptquartiers. Niemand wusste, wie das möglich gewesen war und wer es gestohlen hatte. Natürlich gab es viele Theorien, aber es wurden keinerlei Beweise für sie gefunden. Das Rätsel wurde erst gelöst, als das Buch im Haus eines früheren Verwaltungsratsmitglieds der NYAPS auftauchte.«
Antoinette hob ruckartig den Kopf, schüttelte ihn und machte große Augen. »Nein.«
Der Blick des alten Mannes wurde sanfter, als er ihr Entsetzen sah. »Doch, so ist es, Antoinette. Es handelte sich um Lucian Moretti – um den Mann, der nach einem Weg suchte, die paramenschlichen Rassen auf genetischem Wege auszulöschen.«
Oberon schob das vertraute Gefühl der Hilflosigkeit beiseite, das er immer empfand, wenn er sich an seinen Kidnapper erinnerte.
»Aber das Buch ist demnach wieder in Ihrem Besitz«, sagte Bianca. »Was hat das alles mit dem Serienkiller zu tun?«
Der alte Mann fuhr mit der Hand über den Bildschirm, bis die beiden ersten Fotos wieder erschienen.
»Verzeihung, aber könnten Sie diese Bereiche vergrößern?«, fragte er Tony und deutete mit dem Finger auf die Zeichen, die in die Brust des Jungen eingeritzt waren.
Tony tippte auf seiner Tastatur herum, und die Ausschnitte wurden größer. Die Bildauflösung war nicht sehr gut, aber die Gruppe konnte nun deutlich sehen, was Rudolf ihr zeigen wollte.
Er griff in die Tasche. Oberon wusste, wonach er suchte, und hielt den Atem an, als der alte Mann schließlich ein gefaltetes Blatt herauszog. Er öffnete es und hielt es hoch.
»Das ist das gleiche Symbol«, sagte Bianca.
»Was ist das?«, fragte Kitt und rutschte in ihrem Sessel nach vorn.
Rudolf stützte sich auf seinen Stock und richtete sich auf. »Das ist das Zeichen der Dunklen Brüder, eines alten und mächtigen Feinds unserer paramenschlichen Vorfahren.«
◀ ▶
Kitts Kopf schmerzte.
»Wer zur Hölle sind die Dunklen Brüder?«, fragte Antoinette.
Der alte Mann runzelte die Stirn, diesmal vor Kummer. »Das ist nur eine annähernde Übersetzung aus der alten Sprache. Sie waren die Meister der alten Stämme, aus denen die heutigen paramenschlichen Rassen hervorgegangen sind. Die Brüder kamen vor etwa zehntausend Jahren auf die Erde, als es hier bloß eine unreife Bevölkerung gab, die gerade erst begonnen hatte, eine intelligente Zivilisation zu errichten. Dasselbe hatten sie schon auf vielen Welten getan. Doch diesmal erhoben sich ihre Diener mithilfe einiger irdischer Wesen und überwältigten die Dunklen Brüder. Darüber hinaus wissen wir nur sehr wenig über sie.«
»Ich frage noch einmal: Was hat das mit unserem Serienkiller zu tun?«, wollte Bianca wissen.
Alte Könige, rätselhafte Bücher und unaussprechliche Dämonen – das war zu viel. Kitt hatte wirklich keine Zeit für so etwas. Ihre erste Unterrichtsstunde begann bald, und sie fragte sich allmählich, ob das alles nur ein grober Initiationsscherz war, den Oberon mit ihr trieb. Sie betrachtete sein dunkles Gesicht. Er schien das Ganze eindeutig nicht lustig zu finden, aber das konnte auch nur Schauspielerei sein, um sie bei der Stange zu halten. So etwas hatte
Weitere Kostenlose Bücher