Aeternus - Sanfter Tod: Roman
Verschwörungsmythos«, antwortete Antoinette, aber die Mienen der beiden erzählten eine andere Geschichte. »Oder etwa nicht?«
»Nicht ganz.« Oberon stand auf, holte eine Mappe aus dem Aktenschrank und warf sie auf den Tisch vor ihr. »Es waren Elitesoldaten des RaMPA – eine Geheimoperation, über die es kaum Aufzeichnungen gibt.«
Auf dem Vorderdeckel der Mappe prangte ein Yin-und-Yang-Symbol, das aus zwei Drachen gebildet wurde. Antoinette hatte es schon einmal irgendwo gesehen, konnte sich aber nicht mehr erinnern, wann und wo das gewesen war. Die Akte listete alle Operationen des Teams auf, die nicht nur beeindruckend, sondern regelrecht beängstigend waren. Und die Liste der toten Agenten war noch beängstigender.
»Wen soll ich testen?«, fragte Antoinette, die noch immer nicht sicher war, wohin das alles führen sollte.
»Meine Töchter«, sagte Kitt.
»Aber dieser Akte zufolge wurde die Gruppe vor fast zwanzig Jahren aufgelöst. Was haben wir mit ihr zu tun?«, fragte Antoinette verwirrt.
Oberon lehnte sich zurück, zog eine weitere Akte aus seinem Schrank, warf Kitt einen raschen Blick zu undhändigte sie Antoinette aus. »Das hier ist ein Bericht über einen der Topagenten der Dracones Nocti.«
Antoinette schlug die Mappe des Agenten mit dem Decknamen Schwarzer Wolf auf, und Kitt schaute ihr dabei über die Schulter. Die Statistiken dieses Agenten waren beeindruckend: 1493 erfolgreiche Missionen und eine unschätzbare Anzahl getöteter Feinde während einer Periode von sechzig Jahren, die einige Kriege einschloss. Und seine Fähigkeiten waren beachtlich: Scharfschütze, Attentäter, Fährtenleser, um nur einige zu nennen. Dann blätterte sie um und sah das Foto eines Mannes in Armeeuniform.
»O mein Gott« , hauchte Kitt.
Seine Haare waren kurz geschnitten, aber diese Augen waren unverkennbar.
Raven. Der Schwarze Wolf.
Nun wusste sie, wo sie das Symbol gesehen hatte – es war Ravens Tätowierung. Jetzt war ihr klar, dass er sich bei dem Übungskampf tatsächlich zurückgehalten hatte. Kein Wunder – er war eine tödliche Waffe auf zwei Beinen, und manchmal auch auf vier.
Antoinette sah Kitt an. »In Ordnung. Wo und wann?«
◀ ▶
Im Zwielicht der Vormorgendämmerung ging Kitt zu ihrem Auto. Es war eine lange Nacht gewesen, und sie wollte nur noch nach Hause, ein Bad nehmen und dann ins Bett fallen. Sie betätigte die Fernbedienung ihrer Zentralverriegelung, und die Blinklichter flackerten auf. Als sie die Hand nach dem Türgriff ausstreckte, überfiel sie plötzlich der Impuls, die Tür aufzureißen, in den Wagen zu springen und davonzurasen. Ihre Haut prickelte, ihre Nackenhaare richteten sich auf, und sie hatte das deutliche Gefühl, beobachtet zu werden.
Der Parkplatz war fast leer. Hier standen nur noch ein paar Autos, ein Kleintransporter und ein großer schwarzer Geländewagen. Auch als sie ihre Augen auf Katzenschärfe einstellte, bemerkte sie keinerlei Bewegung. Viele ihrer Bestiabeo-Instinkte funktionierten nicht mehr richtig – vielleicht war sie nur paranoid. Aber jeder Nerv in ihrem Körper vibrierte, als hätte eine Alarmglocke geläutet.
Kitt kletterte hinter das Lenkrad und versuchte den Schlüssel ins Zündschloss zu stecken, aber sie zitterte so sehr, dass es ihr nicht gelang und sie den Schlüssel zu Boden fallen ließ. Sie holte tief Luft, schloss die Augen und stieß den Atem wieder aus. Der noch immer frei herumlaufende Serienkiller ließ sie auch dort Gefahren sehen, wo gar keine waren. Sie hob die Schlüssel mit den Fingerspitzen vom Boden auf und rammte den Zündschlüssel ins Schloss. Der Motor würde nicht anspringen, das wusste sie genau … Doch der Wagen startete beim ersten Versuch mit einem Brüllen, und sie seufzte auf. Vor Erleichterung legte sie den Kopf auf die Hände, die bereits das Lenkrad umfasst hielten. Sie riss sich zusammen und fuhr rückwärts aus der Parklücke.
Der blaugraue Himmel des frühen Morgens war mit Flecken aus Orange und Rosa durchsetzt. Kitt fuhr zu ihrer Wohnung, sah automatisch in den Rückspiegel und dann wieder auf die Straße vor sich – und sofort wieder in den Spiegel, denn in ihm bemerkte sie einen großen schwarzen Geländewagen, der ihr ohne Licht in großer Entfernung folgte.
War es derselbe wie auf dem Parkplatz? Sie wusste es nicht, aber sie wollte keinerlei Risiko eingehen.
Bei der nächsten Kreuzung fuhr sie nicht nach links, wie sie es immer tat, sondern nach rechts. Der Geländewagen folgte ihr.
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