Aetherhertz

Käuzchens immer wieder an und aus, um schneller Aufmerksamkeit zu erregen. Erst als der Vogel ganz nahe war, konnte er die Brückenkanzel erkennen. Die Gestalten hinter den Scheiben waren undeutlich. Mit ungeheurer Anstrengung manövrierte er das Käuzchen vor den Bug und gab ununterbrochen sein Lichtsignal.
    Eine Welle der Erleichterung durchfuhr ihn, als plötzlich die Scheinwerfer des Luftschiffes auch an und wieder ausgingen: Sie hatten vielleicht verstanden, was er wollte! Er ließ die Kontrolle des Käuzchens auf Autopilot gehen und wandte seine volle Aufmerksamkeit dem Gleiter zu.
     
    * * *
     
    Burger war unentschlossen: Der schwarze Fleck, der sich selbstmörderisch dem Greifenschiff näherte, sah wie ein gegnerischer Gleiter aus, aber was hatten die Lichtsignale zu bedeuten?
    „ Maschinen Stopp, Position halten!“, befahl er schließlich.
    Es war unglaublich: Offensichtlich hatte er das Greifenluftschiff endlich massiv getroffen. Er konnte es nicht fassen, dass er überhaupt so weit gekommen war. Aber nachdem er herausbekommen hatte, wie man das Luftschiff seines Freundes aktivierte und sogar jemanden gefunden hatte, der es fliegen konnte, hatte es für ihn kein Halten mehr gegeben. Scharenburg hatte ihm telefonisch mitgeteilt, das es zu Kämpfen im Adlerhorst gekommen war. Einer seiner Männer hatte Verstärkung angefordert.
    Burger hatte sich durchgesetzt und den Ingenieur dazu überredet, zu starten. Sie hatten alle verfügbaren Männer von den Docks angeheuert, obwohl die meisten ihnen einen Vogel zeigten, bei so einem Wetter zu starten. Aber Geld, oder zumindest die Aussicht darauf, macht risikobereit, und so erhob sich der Delfin schließlich in die Wolken.
    Als er das Greifenschiff erblickt hatte, war ihm fast schlecht geworden: Es war eine waffenstarrende Monstrosität, die auf keinen Fall in den Händen der Irren Hartmann und Depuis bleiben durfte. Also hatte er sich zum Angriff durchgerungen. Es machte ihn wahnsinnig hier stehen zu müssen, nur Befehle zu geben, statt selbst jemanden am Kragen packen und niederschlagen zu können.
    Er suchte den schwarzen Gleiter mit seinem Fernrohr. Der Flieger steuerte auf das schnell sinkende Greifenschiff zu! Auf der Plattform rannten viele winzige Gestalten durcheinander, manche hatten noch nicht bemerkt, dass das Luftschiff gleich auf sie stürzen würde.
     
    * * *
     
    Friedrich kam der zerstörten Kanzel immer näher. Er hatte nur wenige Sekunden, bis das Schiff aufsetzen würde. Die Kanzel war verlassen.
    Wo waren Paul und Annabelle? Aber er hatte keine Zeit, nach ihnen zu suchen. Das wäre Selbstmord und würde niemandem etwas nutzen. Er drehte ab und flog von dem Greifenschiff weg.
     
    Paul rannte mit Annabelle auf dem Arm hinter dem Kapitän her. Sein Verdacht, dass der Mann seine Haut retten wollte, bestätigte sich, als er ihn durch eine Tür in eine Rettungsgondel einsteigen sah. Er drängte sich hinter dem Mann hinein.
    Der sah ihn kurz an, und betätigte dann einen Hebel, woraufhin zischend die Tür der Gondel zuging und sie sich vom Rumpf des Schiffes löste. Offensichtlich gab es einen Mechanismus, der die Gondel noch festhielt, bis sie ihre Flügel ausgebreitet und mit Æther geflutet hatte. Der Soldat schnallte sich auf einem Sitz fest und gestikulierte Paul, das Gleiche zu tun.
    Also schnallte er Annabelle fest. Er hatte den Gurt gerade eingerastet, als eine gewaltige Erschütterung durch das Schiff ging. Sie hatten aufgesetzt! Das Greifenschiff legte sich sofort nach links, und die Gondel, die zum Glück rechts angebracht war, wurde nach oben geschleudert. Der Kapitän betätigte einen Hebel und das Rettungsschiff wurde ausgeklinkt.
    Paul war bei der Erschütterung hart gegen die Bordwand geschleudert worden und spürte stechende Schmerzen in der Seite. Jeder Atemzug tat weh. Er hatte sich wohl eine oder mehrere Rippen gebrochen. Trotzdem rappelte er sich auf, suchte nach Halt und beobachtete, wie das Greifenschiff langsam gegen die Felswand schlitterte.
     
    Das Greifenschiff setzte splitternd und berstend auf der Plattform auf. Sein Momentum und die dünne Schneeauflage ließen es unaufhaltsam in Richtung Felswand rutschen. Alle Wesen auf der Plattform rannten um ihr Leben, weg von dem Koloss, egal wohin.
    Und dann schien es fast wie in Zeitlupe: Das Schiff traf auf die Felswand, die ausgestreckten Tatzen splitterten zuerst, der Greifenkopf knickte ein und wurde in den Rumpf gedrückt. Der enorme Aufprall führte dazu, dass das Heck