Aethermagie
für den Moment bei Ihnen untergeschlüpft, aber in ein paar Tagen, wenn die Wogen sich geglättet haben …«
»Ganz recht, ganz recht«, unterbrach Charcot sie hastig. »Ich habe mich ungeschickt ausgedrückt. Aber nun lassen Sie uns nicht weitere Zeit verschwenden, ich bitte Sie. Wollten Sie mir etwas sagen?«
Kato biss die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf. Sie vermied es eisern, zur Lampe zu blicken, auf deren Querstab sie eine kleine, leuchtende Gestalt erahnen konnte.
»Nein?« Charcot nickte enttäuscht. »Nun gut. Dann gehen wir ans Werk.« Er hob die Hand, die Silberkette entrollte sich mit einem leise klingelnden Geräusch und fesselte Katos Blick. »Schauen Sie auf die Uhr«, sagte Charcot mit gedämpfter Stimme. Er sprach tiefer und leiser. »Sehen Sie, wie sie hin- und herschwingt. Sie fühlen sich entspannt und sicher, warm und geborgen. Ihre Glieder sind schwer. Ihre Augenlider sind schwer. Sie sinken in Schlaf …« Er sprach weiter, begann zu zählen, und Kato, die sich zuerst dagegen gesträubt hatte, von dem Arzt in eine Trance versetzt zu werden, bemerkte kaum, dass sie bei jedem seiner Worte tiefer in einen angenehm betäubten Zustand zu gleiten begann. Sie tauchte hinab in einen stillen, tiefen Teich, dessen schwarzes Wasser sich sanft über ihr schloss. Kato sank tiefer und tiefer. In der Ferne murmelte eine Stimme, untermalt von einem sachten Klingeln wie von silbernen Glöckchen. Die Stimme stellte Fragen und Kato hörte, wie eine andere Stimme darauf antwortete. Sie klang schleppend und matt, sie erzählte von jemandem, den sie »Papa« nannte und davon, dass sie alle Ætherteufelchen aus ihren Käfigen befreit hatte. Wie dumm von der Stimme, so etwas zu erzählen. Das durfte doch niemand wissen, es war streng verboten!
Kato sank noch tiefer in die schwarze Tiefe, und während ihre Sinne sich trübten und ihre Gedanken aufhörten, dachte sie als Letztes noch, dass sie diese andere Stimme kannte. Es war …, es war …
Es …
…
»… sagen hören, wachen Sie wieder auf und fühlen sich erfrischt und ausgeruht. Zwei … Eins.«
Kato öffnete blinzelnd die Augen. Einen Moment lang wusste sie nicht, wo sie sich befand. Aber ehe sie deswegen unruhig werden konnte, fiel ihr nach und nach ein, was dies für ein Arbeitszimmer war und wer der weißbärtige Mann war, der vor ihr im Sessel saß und sich Notizen machte.
»Wie fühlen Sie sich?« Der Professor blickte sie über seinen Notizblock hinweg freundlich an.
»Danke, gut«, erwiderte Kato unsicher und setzte sich auf. »Was haben Sie mit mir gemacht?«
»Nichts, mein liebes Kind«, sagte Charcot. Er legte den Block beiseite, schlug die Beine übereinander und faltete die Hände vor dem Bauch. Kato bemerkte mit Unbehagen, dass sein Lächeln, das auf den ersten Anblick so sanftmütig und freundlich wirkte, seine Augen nicht erreichte. Die blickten kühl und sezierend auf sie, als läge sie wie vorhin die Frau gefesselt auf einer Liege und wartete darauf, dass man ihr ein scharfes Instrument in den Kopf einführte.
»Ist Ihnen kalt?« Charcot veränderte seine Haltung nicht. »Zu ihrer Linken liegt eine Wolldecke, bedienen Sie sich.«
»Sie haben mir Fragen gestellt«, sagte Kato. Bruchstückhaft begann sie sich an einige ihrer Antworten zu erinnern. Sie biss sich auf die Lippe. »Was haben Sie damit bezweckt?«
Charcot senkte den Blick auf den Notizblock, der neben ihm lag. Er schien nachzudenken. »Fräulein von Mayenburg«, begann er schließlich in ernstem Tonfall zu sprechen, »Sie befinden sich hier in guter Obhut. Die Entscheidung meines Freundes Rados, Sie in meine Hände zu überweisen, war scharfsinnig und vorausschauend. Ich werde Ihnen helfen können.«
Kato hob wie zum Einspruch die Hand. »Sie reden von mir, als wäre ich krank.«
Charcot nickte, und der letzte Anschein eines Lächelns verschwand von seinem Gesicht. Er beugte sich vor und in Katos Augenwinkel blitzte das Silber der Uhrkette auf und bannte für einen Moment ihren Blick. »Sehen Sie auf die Lampe«, sagte er leise.
Kato gehorchte unwillkürlich, obwohl sie es sich fest vorgenommen hatte, der Lampe und ihrem Gefangenen keine Aufmerksamkeit zu schenken. Ihr Blick begegnete dem des Ætherteufelchens, das nickte und ihr zuwinkte. »Hallo«, sagte das feine Stimmchen. »Ich warte schon die ganze Zeit, dass du mich endlich bemerkst.«
Kato ließ ihren Blick hastig weitergleiten und presste die Lippen zusammen. »Ich weiß nicht, was Sie meinen«,
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