Aethermagie
sagte sie.
»He«, rief das Elementarwesen, »das ist nicht nett von dir.«
Charcot, der Kato nicht aus den Augen ließ, griff an ihr vorbei und betätigte einen Hebel am Fuß der Lampe. Kato erwartete den Zischlaut zu vernehmen, mit dem der Æther aus dem Kolben gesaugt wurde, aber stattdessen gab es eine knisternde Entladung, der Querstab strahlte für eine Sekunde in einem unirdischen Blau, das heller war als der Sommerhimmel, und das Ætherwesen stieß einen gequälten Schrei aus und tanzte auf dem Kolben herum, als wäre er mit einem Mal glühend heiß geworden.
Kato starrte die Lampe an. Dann zwang sie sich, wegzusehen und ihren Blick wieder auf Charcot zu richten. Sie zuckte die Achseln. »Wollten Sie mir etwas sagen oder zeigen? Ich verstehe immer noch nicht …«
Der Arzt lächelte und betätigte den Hebel ein zweites und kurz darauf ein drittes Mal. Das Elementarwesen kreischte in den höchsten Tönen. Charcot sah Kato an. »Es liegt bei Ihnen«, sagte er und machte Anstalten, den Hebel erneut umzulegen. Der Salamander schrie vor Angst und verfiel dann in ein herzzerreißendes Greinen, Flehen und Schluchzen.
Kato hob die Hand und hinderte Charcot daran, seine Bewegung zu vollenden. »Bitte«, sagte sie. »Quälen sie ihn nicht weiter. Was wollen Sie von mir?«
»Also glauben Sie, dort in der Lampe etwas zu erkennen?« Der Arzt ließ die Hand sinken und musterte Kato interessiert.
Sie schnaufte und sank zurück in den Sitz. »Was soll diese Frage?«, erwiderte sie scharf. »Sie sehen es doch auch.«
Charcot lächelte und notierte beiläufig etwas auf seinen Block. Er griff nach einem Wasserglas, das auf dem Tisch stand, und nippte daran. »Sie wissen, dass es sich um Wahnvorstellungen handelt?«, fragte er. »Nichts davon existiert wirklich. Es spielt sich nur in Ihrem Kopf ab.«
Kato sah das jämmerlich schniefende Plasmawesen an, das sich mit seiner großen Hand über die Nase und die Augen wischte, und schüttelte ungläubig den Kopf. »Was bezwecken Sie damit? Sie haben diesen armen kleinen Kerl zu dem Zweck gefoltert, mich zu dieser Aussage zu bewegen, und jetzt wollen Sie mir wahrhaftig einreden, ich bildete mir das alles nur ein?«
Charcot spielte mit der silbernen Uhrkette. »Darf ich Ihnen etwas vorführen, Fräulein von Mayenburg?«, sagte er sanft. Mit einer schnellen Bewegung, die sie erschreckt abzuwehren versuchte, berührte er ihre Schläfe mit der Kette.
Kato keuchte und erhob sich halb aus ihrem Sitz. Die Lampe, in der sich soeben noch das Ætherwesen vor- und zurückgewiegt hatte, war leer. Der Querstab leuchtete in einem gleichmäßig hellen Licht und der Æther summte leise.
»Ist es … ist es das, was alle anderen sehen?«, fragte Kato. Sie hob unwillkürlich die Hand zu der Uhrkette. Es prickelte leicht, als ihre Finger das Silber berührten.
»Wir können es leider nicht zur Heilung dieser Geisteskrankheit einsetzen«, sagte der Arzt leise. »Das Silber muss von außergewöhnlicher Reinheit sein, und es bedarf einer gewissen Masse, die von dieser schweren Kette gerade eben erreicht wird. Es gibt nicht genügend Silber im Kaiserreich, um alle Kranken damit zu versorgen – vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass diese Krankheit immer weiter um sich greift.« Er ließ die Hand sinken, und im gleichen Moment, als würde ein Vorhang beiseitegezogen, konnte Kato das Elementarwesen wieder sehen.
Sie schluckte und riss ihre Blicke von der Lampe los. »Aber ich kann mit ihnen reden«, sagte sie in einem hilflosen Versuch, das Offensichtliche zu erklären. »Ich sehe sie nicht nur. Sie antworten, wenn ich eine Frage stelle. Das kann ich mir doch unmöglich alles einbilden!«
Mitleid schimmerte in den Augen des Arztes. Er entließ den Æther aus der Lampe und es wurde dämmrig im Zimmer. »All das ist Teil des Krankheitsbildes, mein liebes Kind«, erwiderte Charcot. »Wir besitzen Bilder von solchen Fantasiewesen, die unsere Patienten uns aufgezeichnet haben, wir haben Aufzeichnungen von langen Dialogen archiviert, die uns bei dem Versuch übermittelt wurden, uns von der vermeintlichen Wahrheit der Wahnvorstellung zu überzeugen. Ich kann Ihnen die bittere Erkenntnis nicht ersparen, dass nichts, aber auch gar nichts von all dem eine reale Grundlage besitzt. Sie sind eine kluge und verständige junge Dame, Fräulein von Mayenburg. Stellen Sie sich doch bitte selbst diese Frage: Wie nennt man etwas, das einige wenige Menschen zu sehen oder hören glauben, alle anderen aber
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