Aethermagie
rettet Sie. Ihre Freunde haben Sie fallen gelassen. Was Sie jetzt noch retten kann, ist ein umfassendes Geständnis – dann wird man eventuell in Erwägung ziehen, ihre Exekution in eine lebenslange Festungshaft umzuwandeln. Womöglich. Falls ich dem Richter eine wohlwollende Bewertung Ihrer Person und der von Ihnen wahrhaft empfundenen Reue einreiche.« Er bleckte seine gelben Zähne zu einem höhnischen Grinsen.
Katya grinste zurück, obwohl ihr eher nach Weinen zumute war. Festungshaft. Täglich ein Spaziergang, hin und wieder durfte man Besuch empfangen und es gab Tabak und vielleicht sogar gelegentlich ein Glas Wein. Besser als Kerker. Viel besser als der Strang. Immerhin wäre sie dann noch am Leben.
Eine Weile starrte der Mann sie noch an, dann lehnte er sich zurück, warf den Bleistift, mit dem er auf seinem Block herumzukritzeln pflegte, während er sie verhörte, auf den Tisch und drehte den Kopf. »Machen Sie weiter«, forderte er einen der Zuhörer auf. »Ich brauche eine Zigarette.« Er schob heftig seinen Stuhl zurück und ging hinaus.
Eine Weile lang blieb der Stuhl leer, dann stand der neue Verhörführer auf, zögernd, widerwillig, und nahm darauf Platz. Katya sah nur seine Hände, die flach auf der Tischplatte lagen. Sie stutzte. Der Ehering mit dem kleinen Kratzer. Die gepflegten, schmalen Hände mit den akkurat kurz geschnittenen Nägeln. Jetzt nahm der Mann den Schreibblock und den Stift und richtete beides penibel an der Tischkante aus. Katya sog den Atem durch die Zähne.
Der Mann räusperte sich. Legte die Hände ineinander und knetete seine Finger. »Ich bin als Beobachter des Kriegsministeriums anwesend«, sagte er. »Wir kennen uns, Frau Nagy.«
»Wir kennen uns, Herr Pejić«, erwiderte sie tonlos. Er war also die ganze Zeit einer der Männer im Dunkeln gewesen, deren Atemzüge sie gehört hatte, die sich leise raschelnd bewegt hatten. Er hatte mitangehört, wie sie mit steigender Verzweiflung auf irrsinnig anmutende Fragen geantwortet hatte. Er hatte mitangesehen, wie sie mit jedem Tag ein wenig entmutigter, zerknitterter, schmutziger und kraftloser geworden war, und hatte nichts unternommen, um ihr zu helfen.
»Geben Sie mir eine Zigarette, Pejić.«
Sie sah, wie seine Hände sich aus dem Lichtkreis entfernten. Hörte das Rascheln von Stoff, ein leises Schaben. Dann blitzte etwas silbern auf und Pejić schob ihr schweigend ein Zigarettenetui hin. Ihr eigenes Etui. Katya biss die Zähne zusammen und blinzelte heftig. Sie griff danach, klappte es auf, fuhr mit dem Daumen über die Gravur in seinem Deckel und nahm eine der Zigaretten hinaus. Sie steckte sie zwischen die Lippen und beugte sich vor, um sich von Pejić Feuer geben zu lassen.
Er erwiderte ihren fragenden, anklagenden Blick ohne jeden Ausdruck, lehnte sich zurück und entzog sich ihren Blicken. Katya sog den Rauch tief in ihre Lunge und gab einen kleinen Stöhnlaut von sich.
»Frau Nagy, das Kriegsministerium ist interessiert an einigen Auskünften«, begann ihr ehemaliger Kommissär. Katya hörte, wie die Feder des Schreibers über das Papier kratzte. Sie nickte abwartend. Der Rauch der Zigarette kitzelte sie in der Nase und brannte in ihren Augen. Sie wedelte ihn fort.
»Was bezweckten Sie mit der Einschleusung Ihres Geliebten, des Kommissärs Sorokin, in die k.u.k. Landesirrenanstalt am Brünnlfeld?«
Katya fühlte, wie sie den Boden unter den Füßen verlor. Für einige Sekunden wurde ihr schwarz vor Augen. Durch das sausende Singen in ihren Ohren klang verzerrt und fern die Stimme Pejićs, die ihren Namen rief – drängend, fordernd. »Frau Nagy? Beantworten Sie meine Frage. Frau Nagy?«
Sie fasste sich mühsam, schüttelte den Kopf, versuchte, sein Gesicht hinter dem blendenden Licht zu erkennen. »Wie können Sie …«, sagte sie, und: »Ich äußere mich dazu nicht.«
Sie hörte, wie er sich zurücklehnte, seine Stuhllehne knarrte. »Dann beantworten Sie mir folgende Frage: Wohin haben Sie den Freiherrn von Mayenburg schaffen lassen?«
Katya biss die Zähne aufeinander und schüttelte wortlos den Kopf. Nicht auch noch Drago Pejić, dachte sie. Nicht auch noch er.
Die nächste Frage: »Was können Sie mir über diese offensichtlich verschlüsselte Nachricht verraten, die wir in Ihren Unterlagen gefunden haben?« Er drehte die Lampe zum Tisch und schob Katya einen abgerissenen Notizzettel hin, auf dem hastig gekritzelt die Worte: »Drei, Sieben, As oder Dame« standen und darunter die kaum leserliche
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