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Aethermagie

Titel: Aethermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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ohne dass sie noch einmal das Licht des Tages erblickt hätte.

    Das Schlimmste war die Dunkelheit. Oder war es der Schlafmangel? Die Gier nach einer Zigarette? Sie hatte jedes Gefühl für Tag und Nacht verloren. Wie lange war sie schon hier? Vier Tage, fünf, eine oder zwei Wochen? Sie konnte es nicht sagen.
    Die Zelle war klein, ihre Pritsche hart, die kratzige Wolldecke so dünn, dass sie kaum dazu taugte, sie zu wärmen. Und es war kalt hier drinnen, so kalt, als befände sie sich weit unter Tage.
    Sie hörte die Schritte und das Klirren des Schlüsselbundes und schwang die Beine von der Pritsche. Ihre Finger tasteten fahrig nach dem Zigarettenetui, das man ihr gleich nach ihrer Ankunft abgenommen hatte. Inzwischen war sie so weit, dass sie für eine Zigarette gemordet hätte und sich beinahe auf das nächste Verhör freute, bei dem ihr gelegentlich ein oder zwei Züge genehmigt wurden.
    Sie stand müde auf, hielt dem eintretenden Wärter die Handgelenke entgegen, fühlte das kalte Metall, hörte das Einrasten der Ringe und ließ sich dann zum Ende des Korridors führen, wo erneut das Verhörzimmer mit ihren Peinigern und den stummen Beobachtern im Hintergrund auf sie wartete.
    Der Raum mit dem zerkratzten Holztisch und den unbequemen Stühlen lag noch im Halbdunkel. Eine kleine Tischlampe beleuchtete einen Notizblock und den Bleistift, der wartend darauf lag. Im Schatten dahinter konnte sie undeutlich vier Männer erkennen, die sich, einander zugewandt, gedämpft miteinander unterhielten.
    Der Wärter schob sie zu ihrem Stuhl, drückte sie auf seine Sitzfläche nieder und beugte sich vor, um die Handfesseln aufzuschließen. Katya rieb sich mit einer ungeduldigen Geste die Handgelenke. Was für ein sinnloser Akt der puren Demütigung war es, ihr für die wenigen Schritte unter Bewachung auch noch Fesseln anzulegen.
    Sie suchte eine bequemere Sitzhaltung, seufzte und glättete den Stoff ihres Rockes – versuchte, ihn zu glätten. Wie lange steckte sie jetzt schon in diesen Kleidern? Sie schnüffelte. Es roch nicht gut.
Sie
roch nicht gut. Sie roch nach Angst. Katya wusste, dass am Ende dieser Zeit ein Todesurteil auf sie wartete. Sie fürchtete sich davor. Welche Art der Exekution würde es sein? Würde man ihr den Rang als Major zubilligen und sie standrechtlich erschießen? Oder würde sie, als Frau und Zivilistin, gehenkt werden? Sie legte unwillkürlich die Hand an die Kehle.
    Niemand war gekommen, um sie zu befreien. Wahrscheinlich hatte Samuel sich die Zähne ausgebissen. Sie kannte die Methoden des Evidenzbureaus. »Eine Frau Nagy? Ist mir nicht bekannt. Ich gebe das an meine Vorgesetzten weiter, aber ich fürchte, wir können Ihnen da nicht helfen.«
    Die Unterhaltung verstummte, einer der Männer nahm wie gewohnt ihr gegenüber Platz, die anderen auf Stühlen in seinem Rücken, sodass sie ihre Gesichter nicht erkennen konnte. Der Verhörführer nickte ihr zu und entzündete die Merkurlampe.
    »Warten Sie«, sagte Katya. »Ehe Sie mich wieder blenden und mit unsinnigen Fragen quälen: Was bezwecken Sie hiermit? Warum stellen Sie mich nicht einfach vor Gericht, mauern mich ein und vergessen mich? Was soll diese Farce? Sie wissen genauso gut wie ich, dass ich keine Verräterin und Verschwörerin bin. Also – warum vergeuden Sie Ihre und meine Zeit mit diesem Theater?«
    Er hatte sie geduldig aussprechen lassen, hob die Schultern und schaltete die Lampe an. Katya schloss geblendet die Augen.
    »Wo waren wir stehen geblieben?« Er meinte seinen Schreiber, der am Tisch neben der Tür saß und alles mitstenografierte. Katya hörte, wie der Mann blätterte, und antwortete an seiner Stelle: »Sie haben mich zum zehnten Mal gefragt, warum ich Seine Kaiserliche Majestät stürzen möchte. Ich habe die Antwort verweigert, Sie haben mich eine halbe Stunde lang angestarrt und das Verhör dann beendet.« Sie bemerkte, dass da noch ein anderes Gefühl war als Angst, nämlich Wut. Es war ein gutes Gefühl.
    Einer der Männer im Hintergrund lachte unterdrückt. Der Verhörführer beugte sich vor, sodass sie sein Gesicht sehen konnte. Er war ein mittelalter, hagerer Mann mit peniblem Mittelscheitel und einem leichten Silberblick. »Sie scheinen sich ja großartig zu fühlen«, sagte er mit unterdrücktem Grimm. »Halten uns für eine Horde dummer Affen, was? Sitzen da mit Ihrem überheblichen Grinsen und denken, dass Ihre kaiserliche Gönnerin sie schon herausholen wird. Sie irren sich, Frau Nagy. Niemand kommt und

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