Aethermagie
»Erstaunlich.«
Kato achtete nicht darauf. Je länger sie hier im Nebel stand, dessen Feuchtigkeit langsam in ihre Kleider kroch, desto belebter schienen die dichten Schwaden zu sein. Überall krabbelte und kroch es, leuchteten Feuer, sang und schwirrte die Luft, gluckste Wasser. Sie glaubte, den Geruch von frischem Gras zu riechen, von Wasser, von Asche und von duftenden Blüten. »Ah«, machte sie und tat unwillkürlich einige Schritte nach vorne. »Ah, wie schön …«
»Wir verlieren sie«, rief weit in der Ferne eine Stimme.
»Bleiben Sie stehen, Fräulein Kato«, sagte ein anderer Mann betont ruhig – der Wärter Grünwald. »Bleiben Sie, wo Sie sind. Wir holen Sie jetzt zurück.«
Kato wollte nicht zurückgeholt werden. Sie hatte vergessen, woher diese fremden Stimmen kamen, aber in ihrer Erinnerung war es ein Ort der Kälte und blendenden Helligkeit, voller Angst und Schmerzen. Hier war es schön, so friedlich und still. Aber die Kälte … die Kälte, die ihre Glieder zu Eis erstarren ließ. Sie kam von diesem anderen, bösen Ort und griff sie und diese friedvolle Nebelwelt an.
Noch ein Schritt und noch einer. Die Kälte machte jede Bewegung zur Qual. Ihre Finger schmerzten, ihre Füße schienen sich in eiskalten Stein verwandelt zu haben, ihre Wangen waren taub und die Kälte stach in ihren Lungen. Trotzdem ging sie entschlossen weiter. »Calander«, flüsterte sie. »Ich vermisse dich.« Und Tränen froren in ihren Wimpern zu Eiskristallen.
Die Männerstimmen, die riefen und befahlen, erstarben zu einem Flüstern im eisigen Wind. Etwas berührte Katos Knie, sie blieb stehen und blickte an sich hinunter. Neben ihrem linken Fuß stand ein Hylegnom und sah sie mit ernster Miene an. Seine große, ledrige Hand berührte ihr Bein. »Du suchst«, sagte er mit tiefer, klangvoller Stimme, die viel zu groß schien für seinen kleinen, gedrungenen Körper. »Du hast Gnurr gefunden.« Seine starken, warmen Finger umfassten ihr Bein und drückten einmal fest zu, dann ließ er los, aber sein Blick aus tiefbraunen Augen blieb weiter ernst auf ihr Gesicht gerichtet.
Ehe Kato etwas sagen oder fragen konnte, hörte sie das Sirren und Schwirren von Schwingen, dann gaukelte eine Sylphe um ihren Kopf und sang einen trillernden Lauf, als wäre sie ein seltsamer Kanarienvogel. Kato sah dem fliegenden Wesen fasziniert zu, wie es seine Kreise zog. Wie
er
seine Kreise zog, stellte sie kurz darauf entzückt fest, denn der Luftelementar blieb vor ihr in der Luft stehen, schwirrend, und sagte mit erstaunlich tiefer Stimme: »Dirbadisalabadon. Du suchst, du hast gefunden. Wir sind zwei.«
»Drei«, gluckste etwas in der Nähe. »Kalt, kalt, kalt. Falla friert. Du suchst, du hast gefunden.« Ein krötenähnliches Wesen patschte auf breiten Schwimmfüßen auf sie zu und legte seine langfingrigen Hände um ihr Bein. Mit kräftigen, gleitenden Bewegungen kletterte es an Kato empor und legte sich auf ihre Schulter. Kato erwiderte den Blick der kugeligen, grüngoldenen Augen und lächelte. Der breite, lippenlose Mund der Undine verzog sich zu einem Lachen, das ihr flaches Gesicht in zwei Hälften teilte.
Feuer blitzte, Funken sprühten, mit einem zischenden Geräusch flackerte ein Salamander vor ihnen auf. Er tanzte und klatschte in die Hände, sprang auf und ab und rief: »Kato, Kato, Kato! Erzähl mir eine Geschichte, Kato! Vier, ich bin vier! Du suchst, du hast gefunden!«
»Calander«, rief Kato und ging in die Hocke. Sie breitete die Arme aus und lachte und weinte gleichzeitig. »Calander, du hast mich gefunden!«
Das Plasmawesen sprang auf sie zu und auf ihre Hand. Feurige Spuren brannten sich in Katos Haut, aber sie spürte keinen Schmerz.
»Wir sind vier«, sagte der Gnom. »Wir sind vier«, sang das Pneumawesen, »Wir sind vier«, gluckste die Undine, »Vier, vier, vier«, jubelte der Salamander. Und »Du hast gesucht, du hast gefunden«, riefen alle Elementare im Chor und lachten und klatschten in die Hände.
»Fräulein von Mayenburg«, riefen geisterhafte Stimmen durch den Nebel. Jammerten, heulten wie verdammte Geister. »Fräulein von May…«
Kato wirbelte mit den vier Elementarwesen durch den Nebel, Kälte und Angst waren vergessen. Sie lachte und reckte die Hände in die Luft, um nach dem Sylphenwesen zu haschen, das singend zwischen ihren Fingern hindurch hoch in die Luft flatterte. Der Gnom stapfte brummend und knurrend an ihrer Seite durch den Nebel, was wohl seine Art war, ein Lied zu singen, und Calander
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