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Aethermagie

Titel: Aethermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Moroni!

    Ihre Zelle in der Abteilung D war ein winziges dunkles Loch. Vor der Tür war es Tag und Nacht hell, das Licht schien durch das kleine vergitterte Fenster auf ihre Füße. Dann der unablässige Lärm: Klappern und Rattern, Schritte, Stimmen. Schreie, immer wieder Schreie, Kreischen, Stöhnen, der Lärm von trommelnden Fäusten, von Körpern, die sich gegen Wände oder Türen warfen.
    Kato hatte die erste Nacht mit fest in die Ohren gestopften Fingern verbracht, während ihr Tränen der Angst und Erschöpfung übers Gesicht liefen. Sie ertappte sich dabei, dass sie betete. Warum eilte niemand zu ihrer Rettung herbei? Hatten sie alle vergessen, als wäre sie tot und beerdigt hier in dieser entsetzlichen Anstalt?
    Kato vergrub ihr Gesicht in der Decke. Diese Schreie zermürbten ihre Nerven. Eine Stimme vor allem, die seit Stunden ohne Pause immer dieselben unverständlichen Worte kreischte. Kato konnte nicht sagen, ob es ein Mann oder eine Frau war, die da schrie.
    Klappern und Rattern. Jemand schob einen Wagen an ihrer Tür vorbei. Ein Schatten verdunkelte für einen Moment das Fenster, dann war er vorüber. Kato, die sich halb aufgerichtet hatte, hoffend und bangend zugleich, sank wieder auf die harte Pritsche zurück, rollte sich zusammen, zog die Knie an die Brust und die Decke über ihren Kopf. So lag sie, bis es das Abendessen gab, den gleichen dünnen, ungewürzten Brei wie zum Frühstück, den gleichen Tee, und das Nachlassen des Geräuschpegels andeutete, dass die Nachtschicht begann.
    Eine zweite Nacht, ein zweiter Tagesbeginn. Die beißende Angst war einer dumpfen, matten Teilnahmslosigkeit gewichen. Niemand würde kommen und sie retten. Niemand.
    Als die Tür irgendwann aufging und der dünne Wärter dort stand, vor dessen Brutalität sie gewarnt worden war, sah Kato ihn nur abwesend an. Er befahl: »Aufstehen« und als sie nicht sofort reagierte, packte er ihren Arm, dass sie aufschrie, zerrte sie von ihrer Pritsche und stieß sie in den Gang. Kato schloss geblendet die Augen, während der Wärter sie durch die betriebsamen Gänge des Kellergeschosses schleppte. Sie gab es auf, Widerstand zu leisten und beeilte sich, mit ihm Schritt zu halten, damit er ihr nicht den Arm ausrenkte.
    Hinter einer der vielen geschlossenen Türen schrie jemand, als würde ihm bei lebendigem Leib die Haut abgezogen. Ein Stück den Gang hinunter trommelte oder trat ein Mann gegen seine Tür und ließ eine Flut heiserer Schimpfworte hören. Kato würgte. Dies sollten die letzten Eindrücke sein, bevor Charcot sie zur lächelnden Schwachsinnigen operierte?
    Hader öffnete die Tür zu einem dieser unzähligen weiß gefliesten Räume. Kato sah den Stuhl mit seinen Riemen und stöhnte, wollte sich losreißen, sah sich Hilfe suchend um. Hier wollte und konnte sie nicht bleiben. Wenn sie einmal dort eingeschlossen war, würde ihr niemand mehr helfen können.
    Der Wärter lachte und drängte sie in den Raum. »Du wirst brav und lieb wie ein Lämmchen sein, wenn du hier wieder rauskommst.« Seine Stimme dicht an ihrem Ohr ließ sie schaudern. Sein Atem roch unangenehm, muffig, faulig. Sie wandte den Kopf ab. Er drückte sie in den Stuhl.
    Kato wehrte sich, aber nun betrat ein zweiter Wärter den Raum, sah nicht lange zu, sondern half Hader, sie festzuschnallen. »Du hättest das nicht alleine machen dürfen«, sagte er kopfschüttelnd. »Dein Glück, Dr. Koller ist noch nicht da, aber wenn er dich alleine mit ihr gesehen hätte, hätte es ein Donnerwetter gegeben.«
    »Scheiß auf Dr. Schlechtgelaunt«, knurrte Hader und rieb seine Hände an der Hose. »Darf ich zusehen? Ich liebe es, wenn sie den Pickel ins Auge kriegen. Das Geräusch, wenn der Knochen knackt …« Er sah Kato an, während er sprach, und seine Zunge leckte über die Lippen, sein Blick wanderte über ihren Körper. Er schien sich an ihrer Angst und ihrem Entsetzen zu weiden.
    Der Wärter drängte Hader zur Tür und öffnete sie. »Du bist ein widerlicher, verkommener Drecksack«, hörte Kato ihn unterdrückt schimpfen. »Ich melde dich dem Chef, wenn ich noch einmal erlebe, dass du …« Er verstummte. Ein lauter Tumult drang aus einem der Seitenkorridore. Jemand schrie, etwas ging laut scheppernd zu Boden.
    »Ausbruch«, donnerte eine befehlsgewohnte Stimme. »415 ist frei! Alle Wärter sofort in Sektion Vier!«
    Mit einem Fluch schob der Wärter Hader komplett zur Tür hinaus. »Lauf«, hörte Kato ihn brüllen. »Ausgerechnet 415!« Die Tür knallte zu,

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