Aethermagie
Riegel schnappten. Sie war eingeschlossen, während draußen die Hölle losbrach. Kato stemmte sich gegen ihre Fesseln, aber die Lederbänder gaben keinen Deut nach.
Der Tumult draußen schien sich in einen anderen Teil des Kellers zu verlagern. Als sich die Tür öffnete, schrak Kato so heftig zusammen, dass ihre Zähne aufeinanderschlugen. Jetzt kam der schreckliche Arzt, jetzt wurde ihr die Brille aufgesetzt!
Die wuchtige Gestalt, die in ihr Blickfeld trat, hatte sie nicht erwartet. Bei seinem Anblick schossen ihr Tränen in die Augen. »Hilfe«, brachte sie heraus, ehe ein Schluchzen ihr die Kehle zuschnürte.
Moroni griff schweigend nach den Riemen und öffnete die Schnallen. Er hielt ihr die Hand hin und half ihr auf. »Schnell«, sagte er. »Schlechter Zeitpunkt. Mitkommen.«
Er zog sie zur Tür, blickte hinaus, nickte, drückte die Tür ganz auf und zog Kato in schnellem Tempo mit sich. Als sie schwankte und stolperte, grunzte er unwillig, hob sie wie schon einmal auf und lief mit ihr im Arm weiter. Sie legte das Gesicht an seine Schulter und wartete, bis das Zittern, das sie plötzlich überkommen hatte, sich beruhigte.
»Wohin bringst du mich«, flüsterte sie und sah sich um. Irgendwo hinter ihnen war immer noch Getümmel, Geschrei, lautes Knallen zu vernehmen. Anscheinend war die Jagd auf den Ausgebrochenen immer noch nicht beendet. Wie gut. Was für eine Ablenkung. Wer hatte sie inszeniert – Moroni? »Warst du das?«, fragte sie. Der Riese schüttelte knapp den Kopf.
»Kein guter Zeitpunkt«, sagte er wieder. Seine freie Hand ging zum Kopf, rieb einmal fest über seine Schläfe, sein Ohr. »Hab eine Behandlung bekommen.« Seine Stimme klang undeutlich, er sprach dumpf und schwerfällig, wirkte nicht im Mindesten so wach und redegewandt wie bei ihrer letzten Begegnung.
Er sagte nichts mehr, bis sie eine dunkel lackierte Tür erreichten, hinter der sie ein Lager erwartete. Putzmittel. Eimer und Schrubber. Regale mit Wäsche, Essgeschirr und allem möglichen Zeug.
Moroni stellte Kato auf den Boden, sagte: »Warten« und ging wieder hinaus. Kato ließ sich auf einen wackeligen Stuhl fallen, legte das Gesicht in die Hände und atmete mehrmals tief durch.
Die liegende Acht. Der Engel hatte recht behalten. Moroni trug die Kette unter seinem Hemd, sie hatte sie aus dem Kragen rutschen sehen, als er sie hochhob. Daran hing das Zeichen der liegenden Acht. Was mochte es bedeuten? Und was würde jetzt mit ihr geschehen? Es war nicht möglich, ungesehen zu entkommen. Wo wollte Moroni sie verstecken und wie sollte sie hier jemals wieder herausgelangen?
Schritte von mehr als einer Person näherten sich, hielten vor der Tür. Kato rutschte von ihrem Stuhl und drückte sich in die dunkelste Ecke der Kammer hinter einen schief stehenden Schrank.
Die Tür ging auf und schloss sich wieder. »Wo ist sie?«, fragte jemand mit gedämpfter Stimme.
»War hier.« Moroni. Kato atmete erleichtert auf und schob sich aus ihrem Versteck. Zwei Gesichter wandten sich ihr zu – das des Riesen und das ernste, zerfurchte des Wärters Grünwald, der aussah, als hätte er immer noch keinen Schlaf gefunden.
Er nickte ihr zu. »Du hast meinen Rat nicht befolgt, Mädchen«, sagte er freundlich, aber nicht ohne einen leisen Vorwurf.
»Ich konnte es nicht«, erwiderte sie. »Einen zu fangen hätte die Gefangenschaft für viele bedeutet.«
»So ist es. Aber manchmal ist ein Opfer vonnöten, um ein höheres Ziel zu erreichen.« Seine Miene erschien verschlossen, aber sie konnte den Ausdruck seiner Augen sehen. Trauer. Sorge. Und noch etwas anderes, das sie schaudern machte. Dieser Mann war gefährlich, weitaus gefährlicher als Professor Charcot mit seinen Handlangern oder Kommissär Pejić vom Sicherheitsbureau. Sie wandte den Blick ab. »Was geschieht jetzt?«
»Wir müssen Sie hier rausbringen«, erwiderte der Wärter nüchtern. »Charcot war schon auf dem Weg zu Ihnen, um Ihnen ein letztes Mal ins Gewissen zu reden. Ziehen Sie sich um, Fräulein Kato.« Ein Stapel Kleider landete vor ihr auf einem Tisch. Ihre Kleider. Kato stieß einen erfreuten Laut aus und griff danach. Hose, Hemd – frisch gewaschen –, die Jacke, die Kappe, die immer noch nach dem Haarwasser des Küchengehilfen roch. Ihr stiegen Tränen in die Augen. »Diese Heulerei geht mir auf die Nerven«, sagte sie ärgerlich und wischte sich mit dem Ärmel der Jacke über die Augen.
»Beeilen Sie sich, Fräulein Kato«, drängte der Wärter. »Wir haben wenig
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