Aethermagie
sondern zerrte sie weiter. Der Wärter öffnete eine Tür, schob sie hindurch und zu einem Tisch. »Setzen«, sagte er und kettete, als Katya dem Befehl folgte, ihre Handgelenke an den Stuhl. Er ging ohne ein Wort hinaus und ließ sie dort sitzen.
Katya beruhigte ihren Atem und sah sich um. Ein kahler Kellerraum mit unverputzten Wänden, keine Einrichtung, keine Fenster. Also erwartete sie wohl doch keine Hinrichtung, sondern ein weiteres Verhör. Warum aber hier und nicht in dem gewohnten Verhörzimmer? Sie schauderte, aber nicht wegen der Kälte. Dieser abgelegene, düstere Raum machte ihr Angst. Was hatten sie mit ihr vor? Sollte sie nun auch noch unter Folter befragt werden?
Wieder öffnete sich die Tür. Sie hatte nicht gehört, dass sich jemand genähert hatte, also schloss die Tür schalldicht. Der Wärter ließ eine Frau ein, die einen weiten Umhang mit Kapuze trug und ihr Gesicht zusätzlich mit einer Halbmaske verdeckte. Katya sah Haltung und Gestik, das energische Kinn, die schlanken Hände und hielt den Atem an. Sie war zurückgekehrt. Sophie war gekommen!
Die Frau verharrte in der Tür. Ihre Blicke flogen über Katya, ihre Augen weiteten sich. Sie wandte sich zu dem Wärter um und sagte, knapp und scharf: »Binde sie los und dann lass uns allein!«
Der Mann schrumpfte ein wenig unter dem kaiserlichen Blick. »Majestät«, stammelte er, »ich darf nicht – ich kann nicht …«
»Hast du meinen Befehl nicht verstanden?« Jetzt wurde sie zornig, aber ihre Stimme blieb leise. Das war Sophie, wie Katya sie kannte. Selbst wenn sie vor Wut beinahe platzte, wurde sie nicht laut, sondern eher noch leiser – und scharf wie ein Skalpell.
Der Mann schlug die Hacken zusammen, zog den Kopf ein und rannte förmlich zu Katya, um mit bebenden Fingern ihre Fesseln zu lösen.
»Raus jetzt!«
Die Tür knallte zu. Die beiden Frauen sahen sich an. Die Besucherin hob zögernd die Hand, schlug die Kapuze zurück, enthüllte lockiges, rötlich braunes Haar. Noch ehe sie auch die Maske abnahm, fühlte Katya den eisigen Stich der Enttäuschung. Es war nicht Sophie.
Sie erhob sich, taumelte und hielt sich am Tisch fest. »Kaiserliche Hoheit«, sagte sie und neigte den Kopf.
Eine kühle Hand griff nach ihrem Kinn, hob es an. »Sie sehen schrecklich aus, Katya. Hat man Sie misshandelt?«
Katya war zu aufgewühlt, um zu antworten. Was konnte dieses Kind für sie tun? Würde ihre Macht ausreichen, um eine zum Tode verurteilte Gefangene aus dem Kerker zu befreien? Das wäre sogar im Falle der Kaiserin ein Unterfangen gewesen, dem Kato wenig Erfolg vorhergesagt hätte – und Sophie war nach all den Jahren erfahren darin, Hofbeamte zu manipulieren und gegeneinander auszuspielen. Die Prinzessin in ihrer Jugend dürfte weder über die Fähigkeiten noch über die Verbindungen ihrer Mutter verfügen. Sie war verloren. Ihre letzte Hoffnung löste sich in diesem Augenblick in Luft auf.
»Nicht zusammenklappen«, hörte sie die Stimme der Prinzessin an ihrem Ohr. Ein Arm stützte sie. »Setzen Sie sich, bitte. Wir haben nicht viel Zeit. Ich habe einen hervorragend gefälschten Passierschein und habe behauptet, dass Sie mir noch eine Auskunft schulden.« Sie schob Katya auf den Stuhl und setzte sich dicht neben sie, um Katyas Hände zu nehmen und zu reiben. Ihr ernsthaftes, konzentriertes Gesicht besänftigte für einen Moment den Aufruhr in Katyas Gemüt. »Einen gefälschten Passierschein?« Es half, sich mit solch einer Lappalie zu beschäftigen. Katya tastete unwillkürlich nach ihren Zigaretten.
»Ihre Empfehlung, der überaus gerissene Sekretär Felsenstein.« Mizzi schob ihr ein Päckchen Zigaretten in die suchende Hand. »Er hat die Unterschrift des Kaisers gefälscht. Hervorragende Arbeit, wie ich hinzufügen möchte.« Sie schüttelte den Kopf, nahm ebenfalls eine Zigarette und lachte. »Er ist ein Fälscher. Ein Krimineller. Ich liebe ihn.«
Katya zog den Rauch in ihre Lunge und lächelte ein wenig mühsam. »Ich auch. Gregor hat eine Menge erstaunlicher Fähigkeiten und Kenntnisse.« Sie beugte sich vor: »Man wird mich morgen exekutieren. Was können Sie ausrichten, Mizzi?«
Die Prinzessin schüttelte langsam den Kopf und stieß mit gespitzten Lippen einen kleinen Rauchring aus. Sie hustete nicht mehr, stellte Katya beinahe bedauernd fest. Anscheinend hatte sie geübt.
»Ich hätte Sie zu gerne mit so einer Fälschung hier herausgeholt«, sagte Mizzi leise. »Aber dazu hätten wir das Siegel des Kriegsministers
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